Gefangene der Magie
Mitleid hielt sich also in Grenzen, aber er besaß genug Verantwortungsgefühl, um mit den Fingern über ihren Hals zu streichen und nach dem Puls zu fühlen.
»Sie lebt«, verkündete er.
Kira atmete erleichtert auf. Grace schien tatsächlich nicht schwer verletzt zu sein. Pookas Angriff hatte aber einen üblen Sonnenbrand hinterlassen. Grace’ Haut war rot und heiß und würde die nächsten Tage mit Sicherheit keine Sonne vertragen. Sie sah aus, als hätte man sie ein Wochenende nackt in der Sahara rumlaufen lassen. Sonst konnte Cian keine weiteren Verletzungen erkennen. Die Frage, was passiert wäre, wenn Kira nicht eingeschritten wäre, wollte er sich aber nicht stellen.
»Eiskalte Wickel und Cremes sollten reichen, um die Verbrennung zu heilen«, sagte er an Meggie gewandt.
Die Kleine blickte nicht einmal auf, sondern schluchzte wortlos weiter.
Cian wurde immer unwohler zumute. Hätte er Geld dabei gehabt, hätte er Meggie welches gegeben. Für eine Packung Taschentücher. Oder für eine Therapie.
Am Ende tat er das einzig Anständige: Er rief ihren Vater an. Bis Max hier aufkreuzte, würden Kira und er längst über alle Berge sein. Aber er wollte nicht, dass Meggie mit ihrer gegrillten Tante lange allein blieb.
Max war wenig erfreut, von Cian den Aufenthaltsort seiner Tochter zu erfahren. Sogar so wenig erfreut, dass Cian meinte, ein oder zwei Morddrohungen herauszuhören.
»Cian, ich schwöre, wenn du ihr auch nur ein Haar gekrümmt hast, dann …«
»Ich sagte doch schon, Meggie geht es gut.« Zumindest war sie nicht verletzt. »Was aber deine Schwester anbelangt …«
»Was ist mit Grace?« Max’ Stimme wurde noch dunkler. Er hörte sich an, als wollte er am liebsten durch den Hörer springen und Cian den Kopf von den Schultern reißen.
Cian versuchte, vernünftig zu sein. Immer wieder sagte er sich, dass es dafür bestimmt keinen Zauber gab. Aber er hatte in den letzten Tagen einfach zu viel Verrücktes erlebt. Um auf Nummer sicher zu gehen, hielt er den Hörer ein Stück von sich weg.
»Sie, ähm … Hast du After Sun zu Hause?«
»Ja, wieso?«
»Nimm es mit. Du wirst eine Flasche brauchen – oder zwei.« Dann legte Cian auf.
Cian sagte Meggie, dass ihr Vater zu ihnen unterwegs sei und sich um sie und ihre Tante kümmern würde. Die Kleine reagierte immer noch mit keiner Silbe auf ihn und es tat Cian ehrlich leid, als er ihr auch noch mitteilen musste, dass er den Wagen mitnehmen würde. Irgendwie mussten sie schließlich wieder ins Magic Central Seven kommen.
Kira tat ihr Bestes, Meggie aufzumuntern. Sie bot an, ihr etwas zu trinken oder zu essen herzurichten. Aber je näher man Meggie kam, desto weiter zog sie sich unter den Tisch zurück. Als Pooka einmal seine Schnauze unter die Tischplatte schob und seine Hundelefzen zu einem Lächeln verzog, fing sie an zu kreischen, als wollte er ihr die Körperteile abtrennen.
»Was hast du dir nur dabei gedacht, Pooka?«, fragte Kira und fuhr sich in einer hektischen Bewegung durch das Haar. Sie sah zerzaust und müde aus und trotzdem konnte Cian nicht aufhören, sie anzusehen.
Pooka peitschte versöhnlich mit seinem Hundeschwanz über den Küchenboden. »Sie war gefährlich.«
Seufzend wandte sich Kira zu Cian um. »Wir sollten los. Max wird bald hier auftauchen – und bestimmt kommt er nicht allein.«
Pooka fletschte die Zähne. » Wir? Kira, du hast es versprochen!«
Cian legte besitzergreifend den Arm um Kira. »Sie hat nichts versprochen.«
Der Deamhan musterte Cian finster und konnte in dessen Gesicht lesen, was Kira zuvor so gut verborgen hatte. Cian rechnete mit Pookas Wut, aber der grinste bloß.
»Verstehe.« Der Deamhan gackerte verzückt. »Pooka reingelegt. Pooka nicht einfach reinzulegen.« Dann hörte er auf zu grinsen und zu gackern und etwas Dunkles, Altes, Mächtiges schlich sich in seine Züge. Etwas, mit dem man sich nicht anlegen wollte. »Ist nur einer Person zuvor gelungen, Pooka reinzulegen.«
Dann hielten sie es für ratsam, endlich aufzubrechen.
»Hey, was ist mit mir?«, ertönte die grimmige Stimme des Werwolfs. »Jemand muss diese Handschellen entfernen. Wo steckt dieser Verwandlungskünstler von einem Deamhan, Kira?«
Schuldgefühle zeichneten sich in Kiras Gesicht ab. »Uh … äh, na ja …«, stammelte sie. »Weißt du, Pooka hat sich vorhin ziemlich verausgabt. Da ist es das Beste für ihn, wenn er seine Form erst mal beibehält.«
»Kira …« Ares knurrte ihren Namen wie eine
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