Gefangene der Magie
Die Lösung ihres Problems war so nah und sie zögerte, danach zu greifen? So eine Chance würde sich ihnen wahrscheinlich nie wieder bieten.
Kira öffnete den Mund.
Sag es nicht! Uns wird etwas anderes einfallen, aber Kira, bitte! Bei allem, was dir heilig ist, sag es nicht!
Kingsleys Stimme dröhnte laut in ihrem Kopf, machte es schwer, die eigenen Gedanken zu hören. Kira versuchte, die Schilde zwischen ihnen zu verdichten, nur um herauszufinden, dass Kingsley sie fast vollständig beiseitegefegt hatte.
Kira öffnete den Mund und sagte die Worte: »Ich verspreche es.«
Nur dass nicht sie es war, die sie sprach. Zufrieden mit sich, wie die Katze, die den Topf Sahne ausgeschleckt hat, zog Kingsley sich wieder von der Oberfläche zurück.
Kira blickte in Pookas Gesicht. Suchte dort nach Misstrauen, einem Zeichen dafür, dass er die List durchschaut hatte. Aber sie sah nur tiefe Erleichterung in seinen Augen und wurde sofort von Schuldgefühlen übermannt.
Dabei war es nicht einmal sie gewesen, die den Deamhan belogen hatte. Die Sidhe waren an ihre Versprechen gebunden, aber kein Paranormaler war dumm genug, von einem Magier zu erwarten, dass er sein Wort hielt.
Pookas Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. Dann zerbröckelte seine Gestalt. Es begann mit feinen Rissen, die sich spinnwebenartig über die Haut ihrer Mutter ausbreiteten, als wäre sie eine Puppe aus hauchdünnem Porzellan. Die Hände, die der Deamhan an Kiras Wangen gelegt hatte, fielen zu Boden und zersprangen auf dem harten Steinboden in Tausende Splitter. Ein Anblick, der Kira mit Grauen erfüllte.
Eine Wange löste sich vom Rest des Gesichts und zerfiel noch während des Falls zu Staub. Der Rest des Körpers folgte, bis Titania nur noch ein jämmerlicher Haufen aus Staub und Scherben zu Kiras Füßen war.
Kira trat einen Schritt zurück. Sie konnte wirklich viel ertragen. Aber nicht diese Schreie des kleinen Mädchens in ihrem Hinterkopf, das seine Mutter hatte sterben sehen. Kira musste dem ein Ende bereiten, sonst würde sie noch durchdrehen.
»Hör auf!«, kreischte sie.
Selbst Pooka schien endlich zu merken, dass er es zu weit getrieben hatte. Der Haufen am Boden verformte sich, bis ein schwarzes Frettchen aus großen Kulleraugen lammfromm zu ihr aufblickte. Nur die rot glühenden Augen ruinierten den Effekt irgendwie.
Erst als Kira Luft holte, merkte sie, dass sie die ganze Zeit den Atem angehalten hatte. Finster blickte sie auf Pooka herab.
Der Deamhan quietschte eine Entschuldigung, dann sauste er zwischen ihren Beinen hindurch und sprang auf den Dämon – alias Kingsleys Leiche – zu.
Auf Pookas Aufforderung hin hob der Dämon ihn hoch und hielt ihn an sein rechtes Ohr. Der Deamhan nuschelte etwas hinein, das sonst niemand verstand, aber das den Zombie weinerlich werden ließ. Wehmütig tätschelte er Pookas pelzigen Kopf und murmelte einige Worte, die Kira nun zwar hören, aber nicht deuten konnte. Sie waren von einem so fremdartigen Kauderwelsch, dass sie allein vom Lauschen Kopfschmerzen bekam. Vielleicht lag es aber auch an Kingsley, der in bester Stimmung in ihrem Kopf eine heitere Melodie vor sich hinpfiff.
Sie selbst wollte den ganzen Unsinn nur endlich hinter sich bringen, etwas Weiches und Kuscheliges zum Schlafen finden und danach eine Woche lang nicht mehr aufstehen.
»Wenn Carl geht, gibt Carl ein Zeichen. Dann muss der Magier sofort einschreiten«, erklärte Pooka den Vorgang des Rituals.
Kira wusste, dass sich hinter dem Satz eine wichtige Information verbarg. Aber müde und erschöpft wie sie war, fragte sie nur: »Carl?«
Pooka blinzelte sie irritiert an. »Der Dämon.«
Kira blinzelte zurück, unsicher, ob sie in hysterisches Gelächter oder Weinkrämpfe ausbrechen sollte. Am Ende schien ihr beides zu anstrengend.
Dabei war Carl an sich kein schlechter Name, nur … Bei Danu, der Kerl war ein Dämon! Hatte ihm da nicht etwas Unheilverkündenderes einfallen können? Es mochte sein, dass Hollywood über die Jahre ihr Dämonenbild verfälscht hatte, aber trotzdem wusste doch jedes Kind, dass Dämonen ominöse, zungenbrecherische, Furcht einflößende Namen wie Astaroth oder Balberith besaßen – und nicht Carl.
»Okay. Carl geht, gibt ein Zeichen, Kingsley zieht ein«, wiederholte Kira, nur um irgendwas zu sagen und ihre sechs Sinne wieder zusammenzubekommen. Sie setzte eine ernste Miene auf und schluckte das hysterische Kichern, das aus ihr herauswollte, wieder hinunter. Sie war ein großes
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