Gefangene der Magie
nicht aus Boshaftigkeit gesagt. Sein ehemaliger Freund sah wirklich so aus, als hätte der Tod ihn einmal durchgekaut und wieder ausgespuckt. Die Wangen waren seit ihrer letzten Begegnung nicht mehr rasiert worden und wiesen statt des fein getrimmten Dreitagebarts einen wild wuchernden Flaum auf.
Falten zogen sich über das dunkelblaue Designerhemd, als hätte Evan darin geschlafen – und doch war es derselbe Mann, der nicht selten dreimal täglich sein Outfit gewechselt hatte. Die Augen waren rot unterlaufen, als hätte er seit Tagen nicht mehr geschlafen, und der Wahnsinn sprach aus seinem Blick. Wie bei allen, die unter dem Bann der Sidhe standen.
»Nicht, dass mich dein Besuch nicht freuen würde, aber an deiner Stelle würde ich schleunigst von hier verschwinden.« Evan trat hinter dem Türrahmen hervor.
Cian ging automatisch in Angriffsposition, aber sein ehemaliger Freund machte keinerlei Anstalten, ihn anzugreifen. Er zog eine große Sporttasche hinter sich her und warf im Vorbeigehen noch eine Flasche Whisky und ein Paar Turnschuhe hinein.
»Max und seine Kollegen sind auf dem Weg hierher – und sie sind nicht gerade in bester Stimmung. Sie wissen, dass ich an deinem Tod beteiligt war, und obwohl dich das nicht mehr wie einen selbstmörderischen Irren erscheinen lässt, ist Max immer noch schlecht auf dich zu sprechen. Die Sache mit dem Drachen und seiner Tochter hat ihn mächtig verärgert.«
»Max weiß es? Woher?«
»Deine kleine Feenfreundin hat mich verpetzt, als Max sie auf der Straße aufgegabelt hat. Das Luder.«
Cian wurde schwarz vor Augen. Nur mit Mühe bekam er die nächsten Worte über die Lippen. »Kira wurde geschnappt?«
Evan sah auf, während er sich eine rote Lederjacke überwarf. Die Farbe passte nicht zu seinem Hemd, aber das schien seinem Freund nicht aufzufallen.
»Das wusstest du nicht? Es wurde eben über Funk gemeldet«, sagte er mit einem zynischen Grinsen. Sein Atem stank nach Alkohol. »Aber kein Grund, so ein Gesicht zu ziehen. Sei froh, mein Freund, und glaub mir: Ohne die Kleine bist du besser dran. Wer weiß, wie sehr sie dich mit ihrer Sidhemagie schon verhext hat.«
Cians Faust schnellte nach vorne. Und ehe er begriff, was er da tat, schleuderte er Evan mit einem Magiestoß durch die Luft.
Dabei hatte er Kira vor Augen, sah das Eisen an ihren Händen und fühlte das Metall, als würde es seine eigene Haut verbrennen. Er hatte sie einmal in Ketten gesehen, ihre Verzweiflung gefühlt und sich geschworen, dass ihr das nie mehr widerfahren sollte. Sie erneut an Eisen gefesselt zu wissen, brachte ihn schier um.
Ein lautes Krachen hallte durch das Wohnzimmer, als Evan gegen die Rückenlehne des Samtsofas stieß. Er überschlug sich und landete zwei Meter weiter auf dem harten Holzfußboden. Sein Stöhnen wich aber bald belustigtem Kichern. Schwankend richtete sich Evan wieder auf und feuerte einen Magiestoß auf die hüfthohe Anrichte neben Cian.
Cian warf sich zur Seite, als die Anrichte auf ihn zuflog. Eine Millisekunde später und das Möbelstück hätte seinen Kopf zu Brei zerquetscht. Holz splitterte, als es gegen die Wand krachte. Cian hob schützend die Hände vors Gesicht, dann sprang er mit einem Satz wieder auf.
Evan kam bereits auf ihn zu. Cian rief Magie an seine Fingerspitzen, verpasste dem Couchtisch neben Evan einen magischen Schub und stieß ihm das Möbelstück zwischen die Beine. Triumphierend vernahm er das Geräusch von zersplitterndem Glas, als sein ehemaliger Freund in die Tischplatte krachte. Ein Fluchen erfüllte den Raum. Der Geruch von Blut lag in der Luft.
Im nächsten Moment flog Cian ein Buch gegen den Kopf und trotz des Schmerzes musste er lachen, als er den Titel las: Faust. Doch als sich noch weitere Bücher aus dem Regal verselbstständigten, verging ihm das Lachen schnell wieder.
Die ersten drei trafen ihn mit voller Wucht im Gesicht und in der Magengegend. Etwas knackte, als ein Buchrücken seine Nase erwischte. Cian keuchte laut. Dann drehte er den Esszimmertisch mit einem wütenden Magieschub auf die Seite und warf ihn wie eine Mauer zwischen sich und Evan.
Die restlichen Bücher trommelten wie gewaltige Hagelkörner auf den Tisch, während Cian schützend dahinter kauerte. Als das letzte Buch verschossen war, stieß Cian den Tisch mit aller Kraft von sich und brachte Evan damit zu Fall.
Dann richtete er sich langsam auf und betastete sein Gesicht. »Ich glaube, du hast meine Nase gebrochen.«
Kichernd rollte sich Evan
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