Gefangene des Feuers
konnte.
Dann griff er nach seinem Hemd und zog es über den Kopf. Besorgt griff Annie nach seinem Arm. „Gehen Sie nicht!“, bat sie. „Ich weiß nicht, warum Sie es unbedingt wollen, aber es ist sehr gefährlich für Sie.“
Er nahm die blutdurchtränkten Handtücher weg, die sie auf seine Hose gelegt hatte, und stand von der Untersuchungsliege auf, ohne auf ihre Hand auf seinem Arm zu achten. Als würde sie ihn gar nicht berühren. Hilflos und wütend ließ Annie den Arm fallen. Wie konnte er sein Leben aufs Spiel setzen, nachdem sie sich derart abgemüht hatte, ihm zu helfen? Und warum war er überhaupt hergekommen und hatte um Hilfe nachgefragt, wenn er dann doch nicht ihren Ratschlägen nachkam?
Rafe steckte sein Hemd in die Hose, ehe er sie schweigend zuknöpfte und den Gürtel festmachte. Ebenso gelassen schnallte er wieder seinen Pistolengürtel um.
Als er dann in seinen Mantel schlüpfte, konnte Annie sich nicht mehr zurückhalten. „Wenn ich Ihnen ein paar Wegerichblätter mitgebe, werden Sie die dann wenigstens auf die Wunden legen? Der Verband muss immer frisch sein ..." „Holen Sie, was Sie brauchen!“, erwiderte er ungerührt. Verwirrt sah Annie ihn an. „Wie bitte?“
„Holen Sie Ihren Mantel! Sie kommen mit mir.“
„Das kann ich nicht! Ich habe noch andere Patienten, die mich brauchen, und ..."
Er zog die große Pistole und richtete die Waffe auf sie. Sie hielt inne, zu verblüfft, um weiterzusprechen. In der angespannten Stille hörte sie, wie er den Abzugshahn zurückzog. „Ich sagte, holen Sie Ihren Mantel“, wiederholte er ruhig.
Sein Blick war nicht zu deuten, die raue Stimme unerbittlich, als er seine Anweisungen gab, den schweren Revolver fest in der Hand, ohne das geringste Zittern. Benommen vor Fassungslosigkeit zog Annie ihren Mantel an, packte ein paar Vorräte in einen Beutel, danach ihre medizinischen Instrumente und verschiedene Kräuter in ihre schwarze Ledertasche. Sein eisiger Blick beobachtete jede ihrer Bewegungen.
„Das reicht.“ Er nahm ihr den Beutel mit den Lebensmitteln ab und deutete mit dem Kopf zur Tür. „Hinten raus. Und nehmen Sie die Lampe mit!“
Ihr wurde bewusst, dass er sich bei ihr umgesehen haben musste, während er auf sie gewartet hatte. Wut kochte in ihr hoch, weil er in ihre Privatsphäre eingedrungen war, auch wenn es nur ein kleiner Raum nach hinten hinaus war. Aber es war ihr Zimmer! Doch mit dem Lauf seines Revolvers, den sie im Rücken spürte, würde sie sich wohl nur lächerlich machen, wenn sie daran Anstoß nehmen würde. Also ging sie zur Hintertür hinaus, während er dicht hinter ihr blieb.
„Satteln Sie Ihr Pferd!“
„Ich habe es aber noch nicht gefüttert“, gab sie zu bedenken. Auch wenn sie wusste, dass ihr Protest sinnlos war, fand sie es nicht richtig, dass ihr Pferd sie tragen sollte, ohne vorher gefressen zu haben.
„Ich will mich nicht ständig wiederholen müssen“, warnte er. Seine Stimme war nur noch ein Flüstern, das seine Worte aber umso bedrohlicher klingen ließ.
Sie hängte die Lampe an einen dicken Nagel. Ein großer Brauner, der noch gesattelt war, stand friedlich neben ihrem Pferd.
„Beeilen Sie sich!“
Sie sattelte ihr Pferd mit den ihr typischen zügigen Bewegungen, dann winkte der Mann sie zurück. „Stellen Sie sich da drüben hin, ins Freie!“
Annie biss sich auf die Lippen, als sie seinem Befehl nachkam. Sie hatte sich eigentlich vorgenommen, sich hinter ihr Pferd zu ducken und aus dem Unterstand zu schlüpfen, während er aufstieg. Aber er hatte offensichtlich vorausgesehen, dass sie diese Möglichkeit in Betracht ziehen würde. Indem er ihr vorschrieb, sich draußen hinzustellen, nahm er ihr jede schützende Deckung.
Den Blick und den Revolver auf sie gerichtet, führte er den Braunen ins Freie und stieg in den Sattel. Hätte Annie ihn nicht so genau beobachtet, hätte sie nicht gemerkt, wie der Schmerz kaum merklich seine Bewegungen verzögerte. Schließlich steckte er den Beutel mit den Lebensmitteln in seine Satteltasche.
„Steigen Sie jetzt aufs Pferd, Schätzchen! Und keine krummen Sachen! Tun Sie einfach, was ich Ihnen sage, dann wird Ihnen nichts passieren.“
Annie sah sich um. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass er sie so einfach entführen würde. Es war doch ein ganz normaler Tag gewesen, bis er seine Pistole auf sie gerichtet hatte. Würde man sie hier je lebend Wiedersehen, wenn sie sich von ihm zwingen ließ, mit ihm davonzureiten? Selbst wenn es ihr
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