Gefangene des Meeres
gelangweilt.
»Wir müssen verstehen«, sagte der Doktor eines Tages, nachdem sie stundenlang über eben diesen Punkt diskutiert hatten und einige von ihnen sich immer noch Sorgen machten, »daß die Kinder praktisch alles, was wir ihnen erzählen, aus zweiter Hand bekommen. Vielleicht zweifeln sie in ihrem Innersten daran, daß es Dinge wie Hunde, Städte, Wälder und Gestirne gibt. Es ist sehr schwierig, die ganze Welt nur mit Worten zu beschreiben, und die Modelle und Bilder, die wir ihnen gezeichnet haben, sind und bleiben unzulänglich. Hinzu kommt«, fuhr er mit erhobener Stimme fort, »daß sie gerade in ihrem jetzigen Alter körperlich und geistig besonders unruhig sind. Sie wollen mit dem Wissen, das sie sich angeeignet haben, etwas anfangen, und es wird eine Weile dauern, bis sie einsehen werden, daß die auf lange Sicht einzig mögliche Aktivität für sie wie für ihre Eltern die geistige Aktivität ist.«
Aber die Einseitigkeit geistiger Betätigung war für Heranwachsende mit ihren jungen und – an den Umständen gemessen – überraschend gesunden Körpern nicht leicht zu ertragen. Es gab Konflikte – Streitigkeiten und Nörgeleien und sogar eine häßliche Schlägerei, in die sich auch die Eltern wider Willen verstrickt sahen – die annähernd fünf Jahre lang währten. Aber die Kinder heirateten jung, was erheblich zur Stabilisierung der Lage beitrug. Alle bis auf Richard Dickson, das dritte Kind und den zweiten Sohn dieser Familie.
Margaret und der Kommandant bekamen kein weiteres Kind, und so schien der junge Richard zum Junggesellen bestimmt. Radford hatte große Mühe, Richards Eltern davon zu überzeugen, daß sie sich wegen des Mangels an weiblicher Partnerschaft keine Sorgen um ihren Sohn zu machen brauchten. Was die vermeintlichen Effekte sexueller Frustration angehe, so versicherte er ihnen, stimme er ganz und gar nicht mit Freud und seinen Anhängern überein, und er selber sei der beste Beweis für seine Ansicht. Er gebe zu, daß er manchmal ein wenig brummig und unzugänglich sei, aber das liege nur daran, daß er eben eine von Natur bösartige und reizbare Person sei. Darin stimmte ihm Dickson sofort zu.
Aber der junge Richard war die ganze Zeit reizbar und schlecht gelaunt.
*
Auch an Bord des Flaggschiffes verging die Zeit, und die Bevölkerung und ihre Probleme vermehrten sich rasch. Eine der Hauptschwierigkeiten war eine Aufsässigkeit unter den jüngeren Besatzungsmitgliedern, die nicht mehr weit von Meuterei entfernt war. Für den Kapitän lagen die Gründe eines solchen Verhaltens jenseits allen Verstehens.
»Drei Enkel bei Ihnen und vier bei mir stellen noch lange keine Bevölkerungsexplosion dar!« erklärte Kapitän Deslann hitzig. Hellahars skeptische Miene tat ein übriges, seinen Ärger zu vergrößern. »Selbst wenn diese Zahlen sich verdoppelten und die folgenden Generationen keine Zurückhaltung übten – und keine dieser Möglichkeiten ist wahrscheinlich, erstens, weil Ihre Ausbildungsmethoden in der Wirkung einer Dauerhypnose nahekommen und zweitens wegen der Tatsache, daß die Häufigkeit männlicher Sterilität direkt proportional zum Grad der Inzucht ist –, ist dies immer noch ein großes Schiff, und wir können weitere Abteilungen für die Lebensmittelerzeugung einrichten. Das Problem ist nicht dringlich, aber ich vermag Haynor nicht zu dieser Einsicht zu bringen! Die Schwierigkeit mit diesem jungen Dummkopf ist, daß …«
»Er ist jung?« sagte Hellahar. »Und wir nicht?«
»Ich glaube nicht, daß meine Denkprozesse in einem solchen Maß von Verkalkung beeinträchtigt sind, daß …«
»Sehr häufig, Kapitän«, unterbrach Hellahar, »ist gerade dies eines der Symptome.«
Deslann schwieg verstimmt. Er dachte, daß der Heiler auf seine alten Tage boshaft und giftig geworden sei, obwohl sein Verstand klar und scharf geblieben war; und er, Deslann, war noch nicht so alt, daß er weiterhin unter solcher Insubordination leiden würde, ohne drastische Maßnahmen zu ergreifen. Als er weitersprach, war seine Stimme ruhiger, kontrollierter, aber auch viel zorniger.
»Haynor hat die beste Intelligenz und die größten Fähigkeiten von allen seinen Generationsgenossen, was meinen Ärger und meine Enttäuschung über ihn und seine lächerlichen Ideen nur noch vergrößert. Wären diese nicht, würde ich nicht zögern, ihn zum nächsten Kapitän zu bestimmen. Vergessen Sie für einen Augenblick, daß er Ihr Sohn ist, und dann beantworten Sie mir
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