Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
mir wenigstens deinen Namen.“
Das Mädchen blieb stehen und wandte den Kopf. „Zoe“, sagte sie über die Schulter in Becky Lynns Richtung. „Zoe Marie Tucker.“
26. KAPITEL
In Pink und Weiß gehalten, mit Deckchen, Rüschen und Spitzen, war ihr Schlafzimmer so kitschig wie eine Geburtstagstorte. Ein Kleinmädchentraum, der aus einem Himmelbett und weißen Möbeln mit zarten Blütenmustern darauf bestand, zu kindlich für eine Siebzehnjährige – vor allem für eine so frühreife Siebzehnjährige wie Zoe Marie Tucker.
Als ihr Vater dieses Zimmer in einer Zeitschrift für Innenarchitektur entdeckt hatte, war er der Meinung gewesen, dass das genau die angemessene Umgebung für seine kleine Prinzessin sei, und ließ es originalgetreu nachbauen. Das war, als sie sechs war – zwei Jahre später hatte er sich auf Nimmerwiedersehen verabschiedet. Ihr Leben hatte sich mit seinem Weggang dramatisch verändert, nur ihr Schlafzimmer war über all die Jahre hinweg dasselbe geblieben.
Zoe saß, lediglich mit Slip und BH bekleidet, im Schneidersitz auf ihrem Bett und starrte nachdenklich auf die Visitenkarte in ihren Händen.
Jack Gallagher. Modefotograf.
Wahrscheinlich war es ja doch nur ein Trick, mit dem sich ein untalentierter Fotograf seine Models an Land zog. Womöglich steckte sogar ein Pornoring dahinter. Wer konnte das schon wissen? Doch als Zoe sich das Mädchen mit dem zögernden Lächeln und demleichtschleppenden Südstaatenakzent wiederins Gedächtnis zurückrief, musste sie angesichts der Vorstellung eines Pornorings kichern. Das war ungefähr so, als würde man Micky Maus des Kindesmissbrauchs bezichtigen.
Ihr Blick wanderte zu ihrem Nachtisch, wo ein Foto seinen Platz hatte, das sie zusammen mit ihrem Vater zeigte. Sie starrte einen Moment in sein lächelndes Gesicht und wandte dann ihre Aufmerksamkeit wieder der Visitenkarte zu. Aber gesetzt den Fall, dieser Jack Gallagher wäre wirklich ein …
Zoes Herz begann schneller zu schlagen. Die Zeitschriften druckten immer wieder Geschichten ab, in denen davon berichtet wurde, wie die eine oder andere Berühmtheit entdeckt worden war. In einem Aufzug, einer Drogerie oder in einer Disco. Vielleicht würde sie es ja eines Tages sein, über die ein Reporter eine solche Geschichte schrieb. War sie nicht immer fest davon überzeugt gewesen, dass sie eines Tages berühmt werden würde? Und hatte ihr Daddy ihr nicht immer und immer wieder versichert, dass sie das schönste und außergewöhnlichste Mädchen auf der ganzen Welt sei?
Sie sprang vom Bett und stellte sich vor den Spiegel. Während sie ihr Bild anstarrte, sah sie sich wieder als Siebenjährige, ihr Daddy lag auf Knien vor ihr und hatte seine Arme um ihre Hüften geschlungen. „Prinzessin“, würde er sagen, „du bist so wunderschön, dein Bild gehört auf jede Titelseite. Du bist das schönste Mädchen auf der ganzen Welt.“
Von niemandem hatte sie sich so sehr geliebt gefühlt wie von ihm. Niemand hatte ihr je wieder so stark das Gefühl vermittelt, etwas ganz Besonderes zu sein. Er hatte sie auf Händen getragen und auf Rosen gebettet, sie verwöhnt mit allem erdenklichen Luxus, den sich ein kleines Mädchen nur erträumen konnte.
Sie hatte ihn so sehr geliebt. Warum hatte er sie nur verlassen? Als Zoe daran dachte, wie sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, griff sie nach der Lehne eines Stuhls, der in Reichweite stand, und klammerte sich daran fest. Ihre Fingerknöchel traten weiß hervor. Es war ein Morgen gewesen wie jeder andere Morgen auch. Er hatte ihr beim Baden den Rücken gewaschen und ihr hinterher beim Ankleiden geholfen; sie hatte sich diesmal nicht dagegen gewehrt, wie sie es gelegentlich zu tun pflegte. An diesem Morgen hatte sie nicht gekreischt und geweint und hatte auch ihn nicht zum Weinen gebracht. Tränen traten ihr in die Augen. An diesem Morgen war sie ein ganz braves Mädchen gewesen.
Sie umklammerte die Stuhllehne noch fester; ihre Fingerspitzen begannen zu kribbeln. Ihre Mutter war schuld daran, dass er weggegangen war. Ihre Mutter war eifersüchtig auf sie gewesen. Sie hatte ihr die Aufmerksamkeit missgönnt, die Daddy seiner kleinen Prinzessin geschenkt hatte. Ihre Mutter war eifersüchtig auf sie gewesen, weil ihr Mann seine Tochter mehr geliebt hatte als seine Frau. Zoe hatte gehört, wie sich ihre Eltern über sie gestritten hatten, über die Gefühle, die ihr Vater ihr entgegenbrachte. Er war weggegangen, weil ihre Mutter gemein, eifersüchtig und
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