Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
wüsste, dass heute ihr Geburtstag war, und er ihr einen schönen Tag wünschen wollte.
Stattdessen hatte er sie nicht einmal gefragt, wie es ihr ging.
Um zwölf ging sie nach draußen, um auf ihn zu warten. Einen Augenblick später stoppte sein Wagen auch schon neben ihr, und er winkte ihr, ein breites Grinsen auf den Lippen, gut gelaunt zu.
Sie stieg zu ihm ins Auto und schaute – unfähig ihre Traurigkeit abzuschütteln – mit abgewandtem Kopf aus dem Seitenfenster.
„Schönes Wetter heute, findest du nicht auch?“ fragte er, während er sich in den Verkehr einreihte. „Einfach Spitzenklasse.“
Sie streifte ihn mit einem kurzen Blick. „Wohin fahren wir denn?“
„Ich will dir etwas zeigen.“
Sie lehnte den Kopf gegen die Nackenstütze. „Du bist der Boss.“
Er wandte sich ihr zu, die Augenbrauen fragend erhoben. „Du bist so still heute. Ist irgendwas?“
„Nein. Was soll sein?“ Sie umklammerte ihre Knie, ihre Brust war plötzlich so eng, dass sie kaum Luft bekam. „Mir ist einfach im Moment nicht nach reden.“
„Ach so.“
Er nahm den Weg in Richtung Norden und hielt nach einiger Zeit in Glendale vor einem kleinen, lachsrot gestrichenem Haus an. Alle Fensterbretter – bis auf eins – waren mit blühenden Blumenkästen geschmückt.
Jack machte den Motor aus. „Komm, lass uns reingehen.“
Sie legte ihre Hand an den Türgriff. „Wen besuchen wir denn?“
„Wirst du gleich sehen.“
Sie schaute ihn finster an. „Ich bin heute nicht in der Stimmung für Überraschungen, Jack.“
„Das ist nicht zu übersehen.“ Er lächelte sie an und zog einen Schlüsselbund aus seiner Tasche. „Wirklich schade.“
Rutsch mir doch den Buckel runter, dachte sie, aber sie sprach es nicht aus. Nachdem er die Haustür aufgeschlossen hatte, betrateten sie einen hellen, freundlichen Hausflur. Er ging ihr voran die Treppe nach oben in den dritten Stock. Doch statt an der Tür vor dem Apartment 3C zu läuten, suchte er nach einem Schlüssel und schloss auf.
Verwundert folgte Becky Lynn ihm in die Wohnung. Sie war leer. „Das Haus gehört einem alten Freund von mir.“ Im Wohnzimmer angelangt, ging Jack zum Fenster und stellte die Jalousien hoch. Sonnenschein flutete in den Raum. „Er hat auf die Kaution verzichtet. Mir zuliebe.“
Becky Lynn schaute ihn verwirrt an. „Aber du wohnst doch in deinem Studio.“
„Sie ist ja auch nicht für mich, du Dummchen. Sie ist für dich.“
„Für mich?“ Sie glaubte, ihren Ohren nicht trauen zu können. „Du hast eine Wohnung für mich gefunden?“
„Na ja, sie haut einen nicht gerade um“, schränkte Jack ein. „Und die Gegend ist auch nicht unbedingt atemberaubend.“ Er hob eine Schulter. „Aber immerhin ist sie um Längen besser als das Sunset Motel.“
Da sie schwieg, redete er weiter. „Mein Freund hat mir einen guten Preis gemacht. Dreihundertfünfzig im Monat. Das ist für Los Angeles sehr günstig.“
Das hätte er nicht extra zu betonen brauchen. Über die Mietpreise war sie bestens informiert, da kein Tag verging, ohne dass sie die Zeitungen auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung durchgeforstet hätte. Und je des mal er lebte sie aufs Neue eine herbe Enttäuschung.
Als Becky Lynn ihren Blick durchs Zimmer schweifen ließ, begann ihr Herz schneller zu klopfen. Eine eigene Wohnung. Keine Strichmädchen mehr und keine papierdünnen Wände. Das ständige Kommen und Gehen würde sie ebenso wenig vermissen wie das durchdringende Heulen der Polizeisirenen und die anzüglichen Blicke des Portiers.
Sie schaute sich um und unternahm dann einen Rundgang, der in der Küche endete. Das Apartment war nicht groß – ein kleines Schlafzimmer, eine winzige Küche, ein Bad und ein auch nicht allzu geräumiges Wohnzimmer, das jedoch große Fenster und einen schönen Holzfußboden hatte.
Sie fuhr mit den Fingerspitzen über die türkis und silbern gesprenkelte Resopalplatte des Küchentresens. Ihre eigene Küche. Ein Kühlschrank. Ein Herd. Sie öffnete die Tür des Backofens und warf einen Blick hinein. Niemals mehr Sandwiches mit Erdnussbutter. Schluss mit Tunfisch aus der Dose und dem ekligen Fastfood. Hier in dieser Küche konnte sie sich endlich ein richtiges Essen zubereiten. Der Gedanke an Kartoffelbrei mit Buletten, Brathähnchen oder leckere Butterbohnen ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Und wenn sie Lust hatte, konnte sie sich einen Apfelkuchen backen. Wann hatte sie den letzten selbst gebackenen Apfelkuchen gegessen?
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