Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
Farbe Rot, energiegeladen und stark, leidenschaftlich und voller Leben. Unbesiegbar.
Sie musste ihre Vergangenheit hinter sich lassen. Sie musste sich ihr stellen und dann weiter voranschreiten. Länger als ein Jahrzehnt war sie nun vor Bend, Mississippi, davongelaufen und hatte sich geschworen, nie wieder dorthin zurückzukehren. Doch sie hatte sich etwas vorgemacht. Statt der Vergangenheit wirklich den Rücken zu kehren, hatte sie sich an dem Bild des verängstigten, einsamen Mädchens festgeklammert, ohne zu merken, dass sie längst eine andere geworden war. Sie hatte diesem Bild die Macht gegeben, seine dunklen Schatten auch über ihr Leben fernab von Bend zu werfen und ihr Glück zu trüben.
Sie war Becky Lynn Lee, schön und stark und wert, geliebt zu werden. Sie lächelte ihrem Spiegelbild zu. Sie hatte nicht nur vorgegeben, Valentine zu sein, sie war Valentine, auch wenn das nur ein Künstlername war. Carlo hatte keine Illusion von ihr erschaffen, sondern sie lediglich so gesehen, wie sie tatsächlich war.
Ebenso wie Jack.
Jack liebte sie. Das machte sie unendlich glücklich. Das Wichtigste war jedoch, dass sie sich selbst liebte. Plötzlich überfiel sie ein überschäumendes Gefühl von Freiheit, sie warf den Kopf in den Nacken, lachte, breitete die Arme aus und drehte sich ein paar Mal um sich selbst.
Die Reise, die sie vor vielen Jahren angetreten hatte, war heute zu Ende gegangen, in diesem Moment. Endlich hatte sie gefunden, wonach sie suchte.
Ihren Seelenfrieden.
60. KAPITEL
Becky Lynn hatte sich entschieden, auf der Pressekonferenz ein leuchtend rotes Kleid zu tragen. In ihren dazu passenden roten Pumps überragte sie die meisten Männer. Während sie hoch erhobenen Hauptes durch die Lobby des Hotels schritt, in dem die Pressekonferenz stattfinden sollte, lächelte sie leise in sich hinein und begegnete den bewundernden, neugierigen Blicken in kühner Herausforderung.
Als sich die Türen des verglasten Aufzugs geräuschlos hinter ihr schlossen, holte sie tief Luft. Das erste Mal in ihrem Leben hatte sie keine Angst – weder vor ihrem Vater noch vor dem, was andere Leute über sie denken könnten, oder vor sonst irgendetwas. Es war ihr egal, was andere von ihr hielten, nur ihre eigene Meinung zählte. Und sie war verdammt stolz auf sich.
Der Aufzug brachte sie in den Tagungsraum im dritten Stock, vor dem sich bereits eine kleine Menschenmenge angesammelt hatte. Becky Lynn hatte nur Augen für Jack. Er stand ein wenig abseits und wartete bereits auf sie.
Sie war nicht allein. Ihr stand jemand zur Seite, der stark war und sie liebte. Sie lächelte, und als sie seinem Blick begegnete, hatte sie das Gefühl, gleich zerbersten zu müssen vor Glück. Nie wieder würde sie allein sein.
„Bist du gewappnet?“ fragte er sanft, als sie bei ihm angelangt war.
„Voll und ganz.“
Er sah ihr forschend ins Gesicht. „Und wenn sie versuchen, dich zu provozieren und aus der Fassung zu bringen, bleib ganz cool, versprochen?“
„Aber ja. Du machst dir viel zu viele Gedanken.“
„Weil ich dich so unendlich liebe.“ Er legte seine Handflächen an ihre Wangen. „Ich will nicht, dass du irgendwelche unangenehmen Überraschungen erlebst.“
„Es wird schon klappen“, erwiderte sie in ruhiger Zuversicht und legte ihm liebevoll einen Finger auf den Mund. „Ich liebe dich auch.“
Sein Gesichtsausdruck verriet ihr mehr, als Worte es je vermocht hätten. Sie nahm seine Hand, und dann machten sie sich gemeinsam auf in die Höhle des Löwen. Die Medienvertreter hatten mittlerweile im Konferenzraum bereits ihre Plätze eingenommen. Vor der Tür stand nur noch ein Mann. Als sie ihn erkannte, verlangsamten sich ihre Schritte. Ihr Bruder Randy.
Jack schaute sie an. „Was ist?“
Sie drückte seine Hand. „Dort steht … mein Bruder Randy.“
Jack folgte ihrem Blick und verengte die Augen. „Willst du, dass ich …“
„Nein, ich muss es selbst tun.“ Trotz ihres inneren Widerstands ging sie auf ihren Bruder zu. „Hallo, Randy.“
Er presste die Kiefer hart aufeinander und sah ihr trotzig entgegen. „Ich weiß, dass es dir nicht passt, dass ich hier bin. Aber ich werde trotzdem nicht gehen.“
„Warum?“ fragte sie und hob kämpferisch das Kinn. „Willst du auch noch ein paar Lügen beisteuern?“
Sein Gesichtsausdruck wurde weicher. Randy räusperte sich. „Nein. Ich würde dir gern beistehen, wenn ich kann, Becky Lynn. Weil du … meine Schwester bist.“
Während sie ihm die Hand
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