Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
Türglocke war und darauf lauerte, dass der Postbote endlich auf der Bildfläche erschien, denn heute musste die neue Vogue kommen. Sie liebte die bunten Hochglanzmagazine alle, die Vogue jedoch war erklärtermaßen ihre Lieblingszeitschrift.
Ihrer Meinung nach war sie hervorragend gemacht. Für die Vogue arbeiteten nur die besten Fotografen, und ausschließlich Top-Models schafften es, aufs Titelblatt zu kommen.
Becky Lynn genügte es nicht, sich die Fotos zu anzuschauen, sondern sie studierte sie eingehend – von welchem Blickwinkel aus sie wo aufgenommen worden waren, die Art, wie der Fotograf Licht, Schatten und Farben kombiniert hatte und welche Stimmung daraus erwuchs. Und sie studierte die Models, ihren Gesichtsausdruck und ihre Haltung, ihre Frisur, das Make-up und die Kleidung.
Obwohl sie niemals den Mut gehabt hätte, dies offen zuzugeben, wünschte sie sich doch insgeheim, das Auge dafür zu haben, entscheiden zu können, welches die beste Aufnahme im jeweiligen Heft war. Sie waren alle gut, aber einige … einige erschienen ihr besonders herausragend. In ihnen lag ein Geheimnis. Oder ein Funke. Man konnte es nennen, wie man wollte, jedenfalls gab es Aufnahmen, die hatten das gewisse Etwas, ebenso wie es Models gab, die eine bestimmte Ausstrahlung hatten, die anderen fehlte.
Sie wünschte sich sehnlichst, einmal, nur ein einziges Mal, darauf zu stoßen, was dieses Etwas ausmachte. Es würde ihr Spaß machen, die …
„Huch! Becky Lynn Lee, das Wasser ist zu heiß!“
„Oh, Entschuldigung, Mrs. Baxter“, murmelte sie verlegen und regelte die Temperatur. „Ist es so besser?“
„Ja.“ Die Frau verlagerte ihr ansehnliches Gewicht und schaute missbilligend zu ihr auf. „Du solltest nicht so viel herumträumen, sondern lieber mehr an deine Arbeit denken. Sei froh, dass du überhaupt welche hast.“
Vor allem, wenn man bedenkt, dass du sowieso nur weißer Abschaum bist. „Ja, Ma’am.“
„Ich möchte wetten, dass Leute wie du überhaupt nichts wirklich ernst nehmen. Gerade gestern Abend hab ich wieder mal zu meinen Bubba gesagt …“
Und so verging der Vormittag. Endlich, es war schon nach zwölf, kam der Postbote. Ihre Gebete waren erhört worden. Er hatte die Vogue vom August dabei. Fast andächtig betrachtete Becky Lynn das Titelblatt, von dem ihr Isabella Rossellini geheimnisvoll entgegenlächelte. Wieder einmal. Im Juni war sie auch schon drauf gewesen. Für das Juli-Heft war die Wahl des Artdirectors auf Kim Alexis gefallen.
Nachdem sie sich bei Miss Opal zur Mittagspause abgemeldet hatte, nahm sie sich einen übrig gebliebenen Doughnut und verkrümelte sich mit der Vogue nach hinten ins Lager. Obwohl sie es sich natürlich draußen in der Wartezone in einem Sessel hätte bequem machen können, zog sie das Lager vor, weil sie hier ungestört war.
Im Schneidersitz auf dem Boden hockend, die Vogue auf dem Schoß und an einem Doughnut knabbernd, lag ihr Blick in einer Mischung aus Neid und Bewunderung auf Isabella Rossellini. Isabellas Augen waren dunkel, samtig und unergründlich, und ihr Blick schien einen fast aufzusaugen; die Lippen der Schauspielerin, zu einem provokanten Lächeln gekräuselt, waren voll und dunkelrot geschminkt.
Wie mag es wohl sein, wenn man so schön ist? fragte sich Becky Lynn und biss in ihren Dougnut. Etwas Puderzucker fiel auf das Foto, und sie wischte ihn sorgfältig weg. Wie es wohl sein mochte, von allen geliebt zu werden?
Plötzlich sehnte sie sich so sehr nach Liebe, dass es wehtat. Es muss wundervoll sein, dachte sie und biss wieder in den Doughnut. Wie ein schöner Traum.
„Was suchst du denn bloß immer in den Dingern?“
Becky Lynn zuckte zusammen und blickte auf. Fayrene stand auf der Schwelle und taxierte sie über die Spitze ihrer brennenden Zigarette hin weg ein gehend. Es kam so gut wie nie vor, dass jemand Becky Lynn eine Frage stellte, die sie selbst betraf. Und schon gar nicht Fayrene, die selbst ernannte Queen von Cut ’n Curl. Becky Lynn schluckte. „Wie bitte?“
„In den Modeheften.“ Die Blondine deutete mit ihrer Zigarette auf die Vogue , ihre Armreifen klimperten. „Wie du da immer reinstierst.“ Sie schüttelte den Kopf und stieß eine dünne Rauchfahne aus. „Irgendwie komisch, wenn du mich fragst.“
„Lass die Kleine in Ruhe“, rief Miss Opal von nebenan. „Sie hat Mittagspause und stört niemanden, also lass sie.“
Fayrene zog einen Schmollmund. „Ich hab ihr doch gar nichts getan. Es interessiert mich
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