Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
Bei einer Anzeige von Bloomingdales hielt sie inne, legte den Kopf schräg und studierte es eingehend. Irgendetwas an dem Foto war falsch. Aber was? Sie kniff die Augen zusammen. Die Beleuchtung. Natürlich. Sie lächelte. Wenn der Fotograf ein weicheres, indirekteres Licht verwendet hätte, wären die Schatten weniger hart ausgefallen. Was besser zu dem romantischen Stil des Kleides gepasst hätte. Zumindest ihrer unmaßgeblichen Meinung nach.
Sie blätterte weiter, bis sie zu einer Armani-Anzeige gelangte, wo sie wieder innehielt. Eine dramatische Aufnahme. Sie schaute genauer hin. Perfekt, dachte sie, einfach perfekt. Makellos. Dieser Fotograf hatte seine alle Möglichkeiten voll genutzt, er …“
Die Tür wurde geöffnet, und Marty kam, den neuesten Cindy-Lauper-Song vor sich hinsummend, hereingetänzelt. „Hi, Becky Lynn.“
Becky Lynn schaute auf. Marty rannte immer in dem Zwitterlook herum, den Rockstars wie Annie Lennox von den Eurythmics populär gemacht hatten, angefangen von den schweren schwarzen Stiefeln bis hin zu den superkurzen, wasserstoffblond gebleichten Haaren. Ihr stand es. „Hi, Marty.“
Marty machte den Kühlschrank auf, warf einen kurzen Blick hinein und schlug die Tür dann wieder zu, ohne sich etwas herausgenommen zu haben. Sie hob fragend die Augenbrauen. „Was liest du denn da?“
„Ach, nichts.“ Becky Lynn legte rasch ihre Hände über die Anzeige und suchte nach einem anderen Gesprächsthema. „Ist draußen alles okay?“
„Ja. Bestens.“ Marty zündete sich eine Zigarette an, kam zu ihr herüber und ließ sich neben ihr auf der Armlehne der Couch nieder. Sie legte den Kopf schräg und schaute auf die Anzeige, die halb verdeckt war von Becky Lynns Fingern. „Lass mal sehen. Die hat David Bailey fotografiert, schätze ich. Was meinst du?“ fragte sie, nachdem Becky Lynn widerwillig ihre Hände weggenommen hatte.
„Hmm.“
Marty nahm einen Zug aus ihrer Zigarette, inhalierte und stieß gleich darauf eine dünne Rauchfahne aus. „Er ist meiner Meinung nach der Größte.“
„Wer ist der Größte?“
Brianna kam hereingeschlendert, dicht gefolgt von Foster.
Becky Lynn verkroch sich tiefer in die Couch. Brianna träumte davon, Schauspielerin zu werden, und war sehr egozentrisch. Sie hatte einen reichen Gönner, der ihr einen aufwändigen Lebensstil finanzierte. Für Brianna war nur das Beste gut genug. Sie glaubte einen Anspruch zu haben auf die teuersten Klamotten und den wertvollsten Schmuck und das ausgefallenste Auto. Becky Lynn fühlte sich in ihrer Nähe unwohl, doch das nicht etwa deshalb, weil Brianna sie jemals unfreundlich behandelt hätte, sondern weil die Kollegin die gleiche Aura um sich herum verbreitete wie die Frauen zu Hause in Bend.
Becky Lynns Blicke wanderten zu Foster, den sie noch immer nicht richtig einzuschätzen wusste. Er war ein Spaßvogel und voller Ironie, aber sie hatte auch rasch gelernt, dass er eine scharfe Zunge hatte.
„David Bailey.“ Marty tippte auf die Anzeige. „Er bringt die Atmosphäre besser rüber als jeder andere.“
„Niemals.“ Brianna holte sich eine Cola aus dem Kühlschrank. „Keiner ist besser als Giovanni. Bei der Erotik, die seine Bilder ausstrahlen, zieht’s einem glatt die Schuhe aus.“
Foster goss sich Mineralwasser in ein Glas. „Habt ihr schon mal Fotos von seinem Sohn Carlo gesehen? Er macht etwas ganz Ähnliches. Ich hab das Gefühl, er ist ganz groß im Kommen.“
„Und was haltet ihr von Avedon?“ rutschte es Becky Lynn heraus. „Ich finde, seine Fotos haben etwas ganz Besonderes. Wie er mit Licht und Schatten umgeht, ist wirklich einmalig.“
Es wurde still. Drei überraschte Augenpaare richteten sich auf Becky Lynn, die rot wurde und am liebsten im Boden versunken wäre. Warum bloß hatte sie nicht ihren Mund halten können?
„Mein Gott, sie spricht. Unsere kleine Exotin hat nicht nur eine Stimme, sondern sogar eine eigene Meinung.“
„Halt’s Maul, Foster“, fuhr Marty ihrem Kollegen rüde über den Mund und legte beschützend den Arm um Becky Lynns Schultern.
„Becky Lynn hat Recht“, mischte sich jetzt Brianna ein, die offensichtlich das Bedürfnis hatte, ein fachmännisches Urteil abgeben zu müssen. „Niemand hat jemals mit Licht und Schatten solche Effekte erzielt wie Avedon. Aber Jack wird ihn eines Tages noch übertreffen. Ich sag’s euch, ihr werdet euch noch an meine Worte erinnern.“
Becky Lynn schaute die drei der Reihe nach an. „Jack wer?“
„Jack
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