Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
verhalten?
Nur die Leute in Bend richteten über diejenigen, die nicht so waren wie sie selbst. Und Becky Lynn hatte sich geschworen, Bend hinter sich zu lassen.
„Becky Lynn, Honey, kannst du mal kommen?“
„Bin schon da, Bruce.“ Sie legte das Handtuch, das sie eben im Regal hatte verstauen wollte, weg und ging zu ihm hinüber.
„Halt das mal, bitte.“ Der Friseur drückte ihr ein Körbchen mit Lockenwicklern und eine Packung Papierblättchen in die Hand.
Während sie ihm abwechselnd immer eins der Blättchen und dann einen Lockenwickler reichte, schaute sie ihm zu, wie er geschickt eine Haarsträhne nach der anderen einrollte. Die atemberaubend schöne Frau auf dem Stuhl vor ihm hatte einen vornehmen englischen Akzent und herrliche grüne Augen; Becky Lynn erkannte sie als eins der Models von den Titelseiten der Modezeitschriften wieder.
„Ich weiß nicht, was ich tun soll“, flüsterte das Model. „Wenn ich den Job annehme, muss ich mit ihm ins Bett, ich kann es mir einfach nicht leisten, es ihm abzuschlagen, wenn er damit kommt. Und Sie wissen doch, wie schwach ich bin.“
„Sie müssen den Job einfach annehmen. Er ist wahrscheinlich die Chance Ihres Lebens. Ein gigantischer Karrieresprung. Goodbye Cosmo , hallo Vogue.“
Vogue? Becky Lynns Herz begann schneller zu schlagen. Sie warf der Frau unter gesenkten Wimpern einen raschen Seitenblick zu. Wie konnte sie da überhaupt noch zögern? Wenn sie, Becky Lynn, an ihrer Stelle wäre – was sie natürlich niemals sein würde –, würde sie keine Sekunde überlegen, sondern die Gelegenheit sofort am Schopf ergreifen. Sie …
„Aber er ist so ein verdammter Schweinehund, Bruce.“
„Mag sein, aber im Bett nicht übel, soviel ich gehört habe.“ Bruce rollte fachmännisch, ohne auch nur hinzusehen, eine Strähne auf einen Wickler. „Sie müssen einfach nur immer dran denken, dass es schließlich um ein Cover geht, Liebes.“
Becky Lynn schnappte hörbar nach Luft.
Das Model riss erstaunt die Augen auf; Bruce warf Becky Lynn einen scharfen Blick zu. „Ist was, Becky Lynn?“
Ihre Wangen brannten vor Verlegenheit, sie schüttelte den Kopf. „Nein … es ist nur … auf die Titelseite der Vogue zu kommen ist doch … ist doch das Größte überhaupt. Ich kann mir gar nicht vorstellen …. ich meine …“
Das Model schaute sie aus großen Augen an, und Bruce’ verärgerter Blick sagte ihr, dass sie zu weit gegangen war. Viel zu weit. Von einem Niemand wie ihr wurde erwartet, dass er taub und stumm war. Eine eigene Meinung zu äußern war für ihre Rolle nicht vorgesehen.
Vor Schreck stockte ihr der Atem. Was, wenn Bruce die Sache Sallie Gallagher erzählte? Würde sie sie postwendend hinauswerfen? „Tut mir Leid“, entschuldigte sie sich rasch. Ihre Stimme bebte. „Verzeihen Sie mir, ich hätte besser meinen Mund halten sollen. Ich wollte nicht …“
„Aber nein“, unterbrach das Model sie und wedelte mit einer perfekt manikürten Hand. „Sie haben ja Recht. Nur die Besten schaffen es, bei der Vogue aufs Titelblatt zu kommen. Und ich bin die Beste.“
„Mit Sicherheit“, murmelte Bruce und nahm Becky Lynn den Korb mit den Wicklern aus der Hand, wobei er ihr einen letzten verärgerten Blick zuwarf, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Haare des Models konzentrierte. „Sie müssen den Job einfach annehmen.“
Becky Lynn ging mit hochroten Wangen zu ihrem Regal zurück. Wie hatte sie sich nur so idiotisch verhalten können? Wie konnte sie auch nur für einen Augenblick vergessen, wer sie war und welchen Platz sie einnahm?
Sie bekam Angst. Es war die gleiche Angst, die sie während der ersten Tage, nachdem sie von zu Hause weggelaufen war, gequält hatte. Dass sie gezwungen sein würde, wieder nach Bend zurückzukehren. Und mit dieser Angst brachen sich auch all ihre anderen Ängste wieder Bahn. Dass ein Mann sie überfallen und auf die gleiche Weise misshandeln könnte wie Tommy und Ricky es getan hatten. Dass es Sallie Gallagher wie Schuppen von den Augen fiel, wie fehl am Platz sie hier war und sie sie feuern würde. Dass man sie wieder auf das zurechtstutzen würde, was sie in Wirklichkeit war.
Weißer Abschaum.
Die Kraft, noch einmal neu anzufangen, würde sie nicht aufbringen.
Sie versuchte mit aller Kraft, gegen ihre Angst anzukämpfen, und trottete langsam durch den Salon nach hinten ins Lager und zog die Tür hinter sich zu.
Sie legte die Hände an ihre glühenden Wagen. Ob diese verfluchte Angst sich
Weitere Kostenlose Bücher