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Gefangene Seele

Gefangene Seele

Titel: Gefangene Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Sala
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Händen zu Sam nach St. Louis zurückzukehren. Er nahm zwei Zwanzig-Dollar-Scheine aus seinem Portemonnaie und drückte sie der alten Frau in die Hand.
    “Hier”, sagte er leise und zwang sie hinzuschauen, was er ihr gegeben hatte. “Hier sind vierzig Dollar. Damit können Sie sich genug Wolle kaufen, um den Pullover zu Ende zu stricken.”
    Einige Sekunden starrte sie das Geld an, dann sah sie ihm ins Gesicht.
    “Mehr Wolle?”, fragte sie, als sei ihr dieser Gedanke noch gar nicht gekommen.
    Er nickte und drückte das Geld fester in ihre Hand.
    “Ja, mehr rosafarbene Wolle.”
    “Damit ich den Pullover fertigstricken kann.”
    Luke berührte sie am Hinterkopf. Es irritierte ihn, dass er an seinen Fingerspitzen ihren schnellen und unregelmäßigen Puls spüren konnte.
    “Ja, meine Liebe, dann können Sie den Pullover weiterstricken.”
    Sie zitterte und schloss ihre Finger fest um die Scheine.
    “Ja, natürlich, das kann ich machen”, sagte sie, sah ihn an und lächelte. “Danke, junger Mann. Ihre Mutter muss sehr stolz auf Sie sein.”
    Luke machte sich nicht die Mühe, ihr zu erzählen, dass seine Mutter schon verstorben war. Das spielte keine Rolle, auch wenn die alte Frau jetzt weniger verwirrt schien.
    “Ja, Ma’am”, sagte er und wandte den Kopf.
    Erst dann bemerkte er, dass sich eine Gruppe Kinder am anderen Ende des Raumes zusammenfand. Er bewegte sich auf das Ende zu und sah, dass sie sich im Kreis um eine junge Frau mit dunklen Haaren stellten.
    Sie saß im Schneidersitz auf dem Boden, neben ihr lagen einige Farbstifte. Ein kleines Mädchen saß ruhig neben ihr. Offensichtlich war es fasziniert davon, dass sie einen kleinen Schmetterling auf die Wange gemalt bekam. Ein anderes Kind verließ die Gruppe mit einer grünen Schildkröte auf seiner Stirn. Stolz und aufgeregt lief es seinen Eltern entgegen. Ein anderer Junge hielt sich einen Spiegel vor das Gesicht, um seine schwarze Nase und die langen Barthaare zu bewundern, die sie auf seine Wangen gemalt hatte.
    In dem Moment sagte jemand etwas, und sie sah auf. Als sie lachte, hielt Luke den Atem an. Es war die Frau von dem Foto. Es gab keinen Zweifel.
    Luke machte einen Schritt vor, aber im letzten Augenblick wurde er vorsichtig. Es könnte ein Fehler sein, sie einfach so ohne Erklärung anzusprechen. Sie musste mit ihm zusammenarbeiten, um Sams Traum in Erfüllung gehen zu lassen. Luke hatte keine Ahnung, wie sie reagieren würde. Also blieb er dort stehen, wo er war und beobachtete Jade dabei, wie sie mit ihrer Kunst die Kinder zum Lachen brachte, die durch die Flut und die Evakuierung ganz durcheinander waren und wie sie damit ihren Eltern ein wenig Ruhe gönnte.
    Raphael kam aus der Toilette und sah sich wie immer nach Jade um, um sicherzugehen, dass es ihr gut ging. Nachdem er eine Handvoll feuchter Papierhandtücher in den Müll geworfen hatte, tastete er in seinen Taschen nach dem Zettel mit Clarence’ Telefonnummer. Dann ging er in den improvisierten Küchenbereich um nachzuschauen, ob es noch Kaffee gab. Vor wenigen Minuten hatte er im Radio gehört, dass der Fluss nachts den höchsten Wasserstand gehabt hatte und dass nun die Flut zurückging. Was ihn anging, konnte sich die Lage nicht schnell genug normalisieren. Aufgrund der Schäden und der Aufräumungsarbeiten, die nun durchgeführt werden mussten, wäre es wohl das Beste, wenn sie so schnell wie möglich weiterziehen würden. Ihr Lebensunterhalt hing größtenteils von den Touristen und von Jahrmärkten und ähnlichen Veranstaltungen ab, und die Flut hatte das alles natürlich negativ beeinflusst.
    Im Vorbeigehen fragte er Jade, ob sie auch einen Kaffee haben wolle. Sie zeichnete gerade konzentriert eine Meerjungfrau auf die Wange eines kleinen Mädchens und antworte gar nicht, sondern schüttelte nur den Kopf.
    Als Luke den jungen Mann aus den Toiletten kommen sah, waren auch seine letzten Zweifel verschwunden, ob er wirklich Jade Cochrane gefunden hatte. Es war der Mann von den Fotos. Er sah wirklich fantastisch aus, mit seiner Ausstrahlung hätte er in Hollywood Karriere machen können, außerdem hatte er schulterlange schwarze Haare. Aber die Art und Weise, wie er den Raum beobachtete und wie er die Schultern hielt, sagte Luke, dass dieser Mann vor mehr auf der Flucht war, als nur vor einem Fluss, der über die Ufer getreten war. Als der Mann fortging, rückte Luke näher an Jade heran.
    Das Erste, was Raphael bemerkte, als er mit dem Kaffee zurückkam, war der Mann, der

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