Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne
angerufen – wir müssen sicher sein, dass das Netz flexibel genug ist, um ihn über solche Entfernungen zu versorgen, er ist ja nur mit dir verbunden.“
„Ich habe ihm versprochen, auf ihn Acht zu geben.“ Dorian hielt stets, was er versprach.
Nate sah ihn finster an. „Er gehört jetzt zum Rudel. Meinst du nicht, dass auch wir ein Recht dazu haben?“
Mann und Leopard beruhigten sich, das Rudel war stark. „Sicher habt ihr das.“ Dorian fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Der Junge hat sich in meinem Herzen eingenistet, Nate.“
„So sind sie nun mal.“ Nate schlug ihm auf den Rücken. „Irgendwann in den nächsten hundert Jahren wirst du schon darüber hinwegkommen.“
Eigenartigerweise fühlte er sich danach besser. Denn er würde seine Gefährtin und den Jungen, den er schon als seinen eigenen betrachtete, nie wieder gehen lassen.
Lucas und Sascha trafen kaum eine Stunde später ein, und Dorian ging hoch, um Keenan zu holen – der Junge war etwa zwanzig Minuten vorher mit knurrendem Magen von selbst aufgewacht. Dorian hatte dafür gesorgt, dass auch Ashaya etwas aß, bevor sie Keenan für den Ortswechsel zurechtmachte.
„Lass es in deinem Kopf ganz still werden“, sagte sie und zog den Reißverschluss seiner gefütterten Jacke zu. „Hör nicht auf sie.“
„Okay.“ Keenan trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. „Klingt sowieso verschwommen. Die Stimme, meine ich.“
„Gut so. Hab keine Angst, mein Kleiner. Es dauert nicht lange.“
Keenan legte die Arme um Ashaya. „Ich habe keine Angst, Mami. Du bist doch in meinem Kopf. Wenn ich dich brauche, werde ich rufen. Und du wirst kommen.“
Man konnte die Überraschung auf Ashayas Gesicht ablesen. „Das werde ich auch.“
Dorian ging zu ihr und nahm den kleinen Rucksack, den sie für Keenan gepackt hatte. „Wir sorgen für seine Sicherheit, Shaya. Du hast mein Wort darauf.“
Sie sah ihn an, in ihren Augen stand ein Vertrauen, das der Leopard verdiente. Ashaya nickte, küsste Keenan und stand auf. „Komm, kleiner Mann, jetzt geht’s los.“
Anstatt ihr zu folgen, drehte Keenan sich zu Dorian um und zog so selbstverständlich an dessen Hosenbein, dass Ashaya sich noch mehr wunderte. Und ihre Überraschung wurde noch größer, als Dorian sich sofort herunterbeugte und den Jungen auf den Arm nahm. „Geh schon vor, Shaya. Keenan und ich haben noch etwas zu bereden.“
Ihre Stirn legte sich in Falten. „Er sollte …“
Dorian schüttelte den Kopf, und sie verließ den Raum. „Ich kümmere mich schon um deine Mutter“, beruhigte er den Jungen in seinen Armen.
„Sie ist böse.“ Kummer und Angst standen in dem kleinen Gesicht. „Sie will Mami wehtun.“
„Das weiß ich. Aber ich kann auch böse werden.“ Er zeigte Keenan, wie tödlich sein Blick sein konnte, die meisten Kinder hätten das nicht begriffen. Aber Keenan war genauso wenig ein Kind wie Dorian in diesem Alter. „Niemand wird sich deiner Mami nähern.“
Das Kind nickte. „Dorian?“
„Was ist?“
„Ich will, dass Mami auch in unserem Netz ist.“
Dorians Herz schlug schneller. „Das wird sie.“ In diesem Punkt würde er keine Kompromisse eingehen. Wenn ihn das zu einem besitzergreifenden Tier machte, konnte er es auch nicht ändern.
Nachdem Keenan abgefahren war, ging Ashaya wieder nach oben und packte ihre Sachen zusammen. „Ich muss auch hier weg. Die Jungen von Nate und Tammy sind zurück.“
„Stimmt.“ Er war zu demselben Schluss gekommen, aber der Leopard fühlte Stolz, dass sie instinktiv an das Rudel gedacht hatte. „Wenn Amara sich tatsächlich auf die Jagd gemacht hat, müssen wir von hier verschwinden.“
Ashaya hielt mitten in der Bewegung inne. „Du bist wütend.“
Das war nicht annähernd der richtige Begriff. „Sag mir, was es mit Amaras Mutterschaft auf sich hat.“
„Ich weiß nicht, ob ich dazu Lust habe, wenn du mich so anknurrst.“
Er ballte die Fäuste. „Süße, ich bin kurz davor, dir die Kleider vom Leib zu reißen und dich zu lehren, wie schlecht ich es vertrage, wenn du vor mir Geheimnisse hast. Es ist allein deine Entscheidung. Reden oder Ausziehen.“
Ashayas Kehle wurde trocken. „Du wirst mir nicht wehtun.“
„Nein, aber ich wette, ich bringe dich dennoch zum Stöhnen.“
Sie presste die Schenkel zusammen, er hatte recht. Ein Teil von ihr, jener Teil, der von Dorian fasziniert war, seit sie zum ersten Mal seine Stimme gehört hatte, wollte ihn so lange reizen, bis er seine Drohung wahr machte.
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