Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne
führte, war es zu spät, um sie aufzuhalten.“ Ashayas trockene Wissenschaftlerstimme wurde leicht schrill. „Sie arbeitete im Grenzbereich der Wissenschaft und hatte hervorragende Arbeit geleistet.“ Ashaya schien auf einen Kommentar zu warten.
Er warf ihr einen finsteren Blick zu. „Ich werde dich nicht für ihre Taten verurteilen. Sprich weiter.“
„Tammy hat einmal gesagt, du könntest charmant sein. Bislang bist du mir den Beweis dafür schuldig geblieben.“
Seiner Katze gefiel das. „War doch sehr charmant, dir einen Orgasmus zu verschaffen.“ Sein Blick war jetzt sehr sinnlich. „Ich hab vor, es noch einmal zu tun – nachdem ich dir eine Lehre über Heimlichtuerei erteilt habe.“
Sie kniff die Augen zusammen, und ihre Wangen röteten sich, aber das kleine Intermezzo schien ihr den Mut zu geben fortzufahren. „Ich verlegte mich darauf, den Schaden zu begrenzen – wies sie darauf hin, dass sie den Grund vergaß, warum Omega überhaupt ins Leben gerufen worden war, wenn sie alle umbrachte. Ihr wurde klar, dass sie einen Weg finden musste, das Ausbrechen der Krankheit nur auf unbedingt notwendige Fälle zu begrenzen. Und es musste auch die Möglichkeit geben, den Prozess rückgängig zu machen oder zu verlangsamen. Nur zu gerne überließ ich sie dieser Arbeit. Eine Behandlung für Prionerkrankungen zu finden war eine gute Sache, die Aufgabe allerdings so schwer, dass Wissenschaftler schon seit über hundert Jahren erfolglos darüber geforscht hatten.“
„Du dachtest, das würde sie erst einmal beschäftigen.“
„Ja.“ In ihre nächsten Worte mischten sich Schmerz und Wut. „Aber ich wusste damals noch nicht genügend über Prionen. Sie sind bekanntermaßen äußerst schwer herzustellen.“
Sie brauchte ihm den Rest nicht zu erzählen. „Also schuf sie eine lebendige Petrischale.“ So musste es Amara zumindest gesehen haben. Für Dorian war der Gedanke, ein Kind auf diese Weise zu benutzen, vollkommen abwegig und wider die Natur. Doch Amara war Keenans Mutter. Das mussten sie in jede ihrer Entscheidungen einbeziehen. Genauso wie seine Verpflichtungen den Leoparden gegenüber. „Ist er ansteckend?“
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Amara warf das Becherglas an die Wand, verfolgte die Spuren der heraustropfenden Flüssigkeit mit den Augen, nahm aber weder die Wand noch sonst irgendetwas wahr.
„Bitte?“
Amara sah ihre Assistentin Keishon Talbot an, die wahrscheinlich für Ming spionierte. „Raus hier, bevor ich Sie umbringe.“
Sie verschwand ohne ein weiteres Wort.
Amara zerschmetterte ein weiteres Becherglas, in ihrem Kopf herrschte völliges Durcheinander. Ashaya hatte irgendetwas getan. Die unzerstörbare Verbindung zwischen ihnen wurde immer schwächer. Es hatte immer Schwankungen gegeben – ein Mal war es mehr ein Hintergrundrauschen gewesen, ein anderes Mal ein festes telepathisches Band, wenn sie sich beide konzentriert hatten. Doch die Verbindung war immer da gewesen, und sie hatten beide leicht Zugang zu ihr gefunden.
Aber jetzt funktionierte sie nicht mehr.
Irgendetwas störte die Übertragung – Amara wusste nicht einmal, wie so etwas überhaupt möglich war. Sie ging die unterschiedlichsten Möglichkeiten durch und kam doch immer wieder nur zu einem Schluss: Er war schuld daran. Der Eindringling. Er musste zerstört werden.
Nach dieser Entscheidung wurde sie ruhiger.
Sie stieg über die Glasscherben und ging hinaus – obwohl die Verbindung zwischen ihr und Ashaya nicht mehr stabil war, würde sie ausreichen, um sie zu ihr zu führen. Die Wachen würden sie natürlich aufhalten wollen. Aber sie glaubten, sie wäre eine nette, gut konditionierte M-Mediale wie Ashaya. Obwohl Ashaya natürlich auch nie richtig konditioniert gewesen war, aber das war ihrer beider Geheimnis.
Amara griff nach ein paar geladenen Injektoren und setzte ihren Weg fort.
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Clay lässt dir zu viel durchgehen, Ms. Klugscheißer. Meine Gefährtin wird mich so sehr lieben, dass sie alles tun wird, was ich sage.
– SMS von Dorian Christensen an Talin McKade, etwa sechs Wochen zuvor
Ist er ansteckend?
„Niemand wird ihn anrühren“, versprach Dorian, „und das Rudel wird zu dir halten.“ Wie zu ihren eigenen Gefährten und Kindern. „Aber wir müssen uns Klarheit verschaffen.“
„Um sich die Krankheit bei ihm zu holen“, sagte Ashaya mit belegter Stimme, „müsste man ihn aufschneiden und Teile seines Gehirns essen. Amara ist auf diese Idee durch ihre Beschäftigung mit einer obskuren
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