Gefechte der Leidenschaft
vierter Treffer ging an ihn. Nur noch einer und der Titel wäre sein.
Es schien den anderen in Rage zu bringen, dass Caid den letzten Treffer so mühelos geholt hatte. Mit gebleckten Zähnen, keuchendem Atem und starrem Blick griff Sarne erneut an, doch seine Bewegungen wurden immer fahriger, so als setze Sarne mehr und mehr auf Kraft und Reflexe anstatt auf Geschicklichkeit.
Wie durch einen Schleier nahm Caid die Zuschauer wahr, die bei jedem Treffer in Jubel ausbrachen und die Fechtenden anfeuerten. Diese Hintergrundgeräusche waren ihm aus den verschiedenen Fechtsalons vertraut und störten ihn nicht weiter, bis sie plötzlich abbrachen.
Auf einmal war alles still. Im gleichen Augenblick, mitten in einer Sixtparade, blitzte etwas zwischen den Klingen der beiden Kontrahenten auf und fiel gleich darauf klirrend zu Boden.
Es war der Schutzknopf eines Floretts.
Caid wusste sofort, dass es nicht der seine war, denn das Gewicht des Knopfes blieb immer spürbar. Ohne ihn lag die Waffe viel leichter und ausgewogener in der Hand. Der gleiche Gedanke schoss offensichtlich gerade seinem Gegner durch den Kopf.
Caid erwartete, dass sich Sarne sofort zurückziehen würde. Dennoch blieb er automatisch in Verteidigungsstellung, eine Vorsichtsmaßnahme, die man ihm von seiner ersten Fechtstunde an eingebläut hatte.
Und das war auch gut so, denn Sarne machte einen so energischen Ausfall, dass Caid zurückweichen musste. Die scharfe, ungeschützte Spitze seines Floretts funkelte wie ein blauer Stern, ein glitzernder, tanzender Leitstern des Todes, der Caids Schutzkleidung mit Leichtigkeit durchdringen konnte. Sarne wusste ganz genau, dass kein Schutz mehr auf seiner Waffe saß, hatte vielleicht schon die ganze Zeit gemerkt, dass der Knopf locker war. Er würde Caid töten, wenn er konnte.
Wenn.
Caid war schon vorher verärgert gewesen, doch das war nichts gegen die Wut, die ihn jetzt überkam und ihm ungeahnte Kräfte verlieh. Der Schmerz in seiner Schulter, die Anstrengungen der endlosen Kämpfe dieses Tages — alles fiel von ihm ab, sogar die Frage, was Nicholas von seinem Kampf gegen diesen Mann mit dem ungeschützten Florett abgehalten hatte. Caid griff an, mit gezielten Hieben, sicherer Hand und allen Finessen, die er je gelernt hatte. Er trieb Sarne zurück, der taumelte und verzweifelt zu parieren versuchte, bis er ihn schließlich da hatte, wo er ihn haben wollte.
Caid nutzte die Gelegenheit und spürte im nächsten Augenblick, wie die Spitze seines Floretts gegen Sarnes Schutzpolster stieß.
Das war der entscheidende Treffer. Der Schiedsrichter gab das Signal, den Kampf zu beenden und Sarne ließ mit verwirrtem Blick seine Waffe sinken.
Diesmal war es Caid, der so tat, als höre er nichts. Mit seiner behandschuhten Hand riss er den Knopf von seinem Florett, machte einen blitzschnellen Schritt nach vorne und drückte Sarne die Spitze direkt über dem Herzen auf die Brust. Die geschmeidige Klinge bog sich, durchdrang das Polster, traf auf Fleisch.
» Mon Dieu! «, keuchte Sarne und wurde ganz gelb im Gesicht. »Wollen Sie mich etwa umbringen?«
»Wenn es sein muss ...« Und das stimmte auch. Trotz aller Fehler, die er in der Vergangenheit auf dem Duellplatz begangen hatte, spürte Caid geradezu, wie ein innerer Drang zu töten sich Bahn brechen wollte.
»Um Gottes willen, O’Neill!«
»Ich will wissen, mit welcher Nachricht Pasquale fortgelockt wurde«, sagte Caid ohne die Stimme zu erheben. »Und zwar sofort.«
»Ich kann es Ihnen nicht sagen.«
»Doch, ich denke schon.« Caid drückte ein klein wenig auf die Klinge.
»Schon gut, schon gut. Es war eines von Pasquales Bälgern. Es war gekommen um ihm zu sagen, dass ihr Anführer Madame Moisant in das Stadthaus der Moisants gefolgt war. Der dämliche Bengel hatte sich reingeschlichen und war nicht wieder aufgetaucht.«
»Und Madame Moisant?«
»Ich weiß es nicht, das schwöre ich Ihnen.«
Mehr würde er nicht herausbekommen. Caid ließ die
Waffe sinken und trat zurück. Sofort kam ein halbes Dutzend anderer Fechtmeister mit blanken Degen herbeigestürzt, nahm Sarne das Florett ab und trennte die beiden Gegner.
Dann brach der Jubel los, hallte durch die vergoldete Kuppel des alten Theaters und brachte die Kronleuchter, deren Ketten mit rußgeschwärzten Spinnweben bekränzt waren, zum Schwingen. Caid verbeugte sich zum Dank vor dem Publikum, dem Kampfrichter und den Mitgliedern der Jury, doch er wartete nicht ab, dass man ihm den Pokal verlieh, blieb
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