Gefechte der Leidenschaft
und war obendrein noch stärker. Sein Wille war unbeugsam, seine Technik vollkommen. Er verachtete übertriebene Bewegungen und versuchte nicht, seinen Kontrahenten mit fantasievollen Kunstgriffen zu überrumpeln. Man nannte ihn La Roche, den Felsen, da er nicht, wie so viele andere, auf der Bahn vor- und zurückhüpfte. Das hatte er nicht nötig, weil er so viele verschiedene Techniken beherrschte. Er brauchte vor keinem Ausfall zurückzuweichen, da er ihn auf andere Art und Weise parieren konnte. Doch wenn es sein musste, vermochte er so blitzschnell zu sein, dass das Auge die Bewegungen seiner Klinge nicht mehr verfolgen konnte. Und zu allem Überfluss besaß er die eine Eigenschaft, die ihm die größten Chancen auf den Sieg einräumte, und das war Intuition. Er schien unfehlbar zu wissen, welchen Zug sein Gegner als Nächstes machen würde.
Caid konnte keine schwache Stelle in der Fechtkunst des Italieners finden, was ihn ein wenig beunruhigte, denn immerhin war es möglich, dass er in der Endrunde um den Titel des besten Fechters in New Orleans gegen ihn würde antreten müssen.
Caid wandte sich ab und begann sich bereit zu machen. Er legte Rock, Weste und Halstuch ab, behielt aber unter der Schutzkleidung sein Hemd an und trug außerdem, wie in seinem Fechtsalon auch, Handschuhe mit Stulpen, die seine Handgelenke verdeckten. Er probierte die Schutzmaske an, die man ihm gegeben hatte, und überprüfte ein letztes Mal den Schutzknopf an der Spitze seines Degens. Dann verscheuchte er alle störenden Gedanken aus seinem Kopf und konzentrierte sich ganz auf den bevorstehenden Kampf.
In der zweiten Runde kam es zu einem kleinen Tumult. Poulaga, ein anderer italienischer Fechtmeister und Spezialist im Schwertkampf, musste gegen den ehemaligen französischen Kavallerieoffizier Thimecourt antreten, der eigentlich Blackfords Gegner gewesen wäre. Während ihres Kampfes beschuldigte Poulaga Thimecourt plötzlich, ihm einen Treffer gestohlen zu haben, das heißt, einen Treffer, den die Kampfrichter übersehen hatten, nicht von sich aus angezeigt zu haben. Erzürnt darüber, dass man ihn des Betrugs bezichtigte, forderte Thimecourt seinen Gegner auf der Stelle zum Duell.
Caid hatte von der Auseinandersetzung nichts mitbekommen, da er gerade in einem Kampf war, hörte jedoch sofort davon, als er fertig war. Er vermutete, dass dieser Vorfall nicht der Einzige bleiben würde, da die Spannung im Raum fast mit Händen zu greifen war. Die Nerven aller waren zum Zerreißen gespannt, dabei lag es auf der Hand, dass es den Schiedsrichtern, so sehr sie sich auch bemühten, unmöglich war, jeden Degenhieb zu registrieren und so viele Kämpfe hintereinander mit der gleichen Aufmerksamkeit zu verfolgen.
Caid sollte Recht behalten. Noch vor Mittag waren schon ein halbes Dutzend weiterer Duellforderungen ausgesprochen worden. Dass er selbst nicht zu den zukünftigen Duellanten gehörte, hatte er seinem Glück und seiner langjährigen Routine zu verdanken, die ihn auch dann noch ruhig bleiben ließ, wenn er provoziert wurde. Seine bisherigen Gegner dagegen hatten sich entweder zu viel zugetraut oder ihre Nerven versagten und so murrten und fluchten sie, wann immer ein Treffer zu ihren Ungunsten ausgerufen oder einer ihrer eigenen Treffer vermeintlich übersehen wurde. Caid, der bemerkt hatte, dass die Aufmerksamkeit der Jury und der Kampfrichter nachließ, versuchte so viele Treffer wie möglich zu erzielen, sodass er, selbst wenn einer übersehen wurde, noch immer den Kampf gewinnen konnte. Diese Strategie hatte sich bisher ausgezahlt, denn immerhin war er noch im Rennen.
Doch er konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass es anders ausgegangen wäre, wenn Rio da Silva und Gavin Blackford bei dem Turnier mitgemacht hätten. Zu gern hätte er mit den beiden die Klingen in einem Kampf gekreuzt, bei dem es um mehr ging als um ein freundschaftliches Kräftemessen, auch wenn ihm klar war, dass dieser Wunsch hauptsächlich dem Kampfeseifer des Augenblicks entsprang.
Vor den letzten beiden Gängen gab es eine Pause von einer Stunde. Caid verbrachte sie praktisch allein, um sich zu konzentrieren und Übungen zu machen, die verhindern sollten, dass seine verletzte Schulter steif wurde. Bisher hatte sie recht gut mitgespielt, aber er wusste, er würde später für die Überanstrengung büßen müssen.
Er hätte Gesellschaft genug haben können — immer wieder wurde er zu einem Drink oder einem Kaffee eingeladen, doch er schlug alle
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