Gefechte der Leidenschaft
hatte sich in der Vergangenheit als vorteilhaft erwiesen, dass seine Miene bis zum Beginn des Kampfes völlig ausdruckslos blieb und seinem Gegner durch nichts verriet, wie stark sein Siegeswille wirklich war. Jetzt gab er genau dies preis, denn er wollte, dass Sarne es sah. Vieles, was sich in einem Wettkampf zwischen zwei Fechtmeistern abspielte, hatte weniger mit den Muskeln als vielmehr mit dem Geist zu tun. Er wollte Sarne den Eindruck vermitteln, dass er, Caid, sicher war, ihn besiegen zu können. Wenn er ihn dazu brächte, es zu glauben, war der Kampf schon halb gewonnen.
Fechten, so hatte es der französische Fechtmeister, der ihn ausgebildet hatte, einmal ausgedrückt, war wie ein kultivierter Krieg zwischen zwei Männer mit gleichen Waffen. Ebenso wie bei einem militärischen Konflikt war dem Fechter, der das Vorgehen bestimmte, der Sieg so gut wie sicher. Da beide Kontrahenten dasselbe Ziel verfolgten, konnte man nur dadurch die Oberhand gewinnen, dass man seinen Gegner durch geistige Überlegenheit ausmanövrierte. Caid hielt sich bereit, entspannte sich und überließ alles Weitere seinem kämpferischen Instinkt.
Kaum hatten sie das Startzeichen erhalten, machte Sarne auch schon einen Ausfall. Diese kraftvolle und direkte Eröffnung hatte ihm in der Vergangenheit zweifellos schon in vielen Duellen und Wettkämpfen zum Sieg verholfen. Sie besaß nur den Nachteil, dass sie mittlerweile zu seinem Markenzeichen geworden war. Caid hatte also nur darauf gewartet, den Ausfall ebenso kraftvoll und geradlinig zu parieren, bevor er im Bruchteil einer Sekunde seinerseits zum Angriff überging.
Der Kampf hatte begonnen.
Innerhalb kürzester Zeit erkannte Caid, dass Sarne ein höchst fantasieloser Fechter war. Seine Bewegungen waren präzise und kraftvoll, aber alles wurde so starr abgespult, dass es kaum je Überraschungen gab. Sein Fechtstil war eintönig, seine geistige Beweglichkeit beschränkt.
Allerdings verfügte er über eine zähe Ausdauer, die er den endlosen Übungsstundenzu verdanken hatte. Und außerdem war er nicht verletzt. Das, so dachte Caid, machte ihn so gefährlich. Dennoch würde er den Gang gewinnen können, wenn ihm jetzt nur keine Fehler unterliefen.
Er passte seine Bewegungen dem Rhythmus der klirrenden Klingen an und sprang vor und zurück, während ihm der Schweiß in den Augen brannte und seine Hemd und die Lederhandschuhe durchtränkte. Innerhalb der ersten fünf Minuten gelang es ihm, Sarne zweimal hintereinander zu treffen, und er wusste, dass er weitere Treffer erzielen konnte, wenn nur sein Gegner seine Taktik nicht änderte.
Auf der Bahn, auf der sie jetzt kämpften, hatte Caid an diesem Tag noch nicht gestanden. Der Boden unter der Leinwand schien uneben, so als lägen gewellte Dielenbretter darunter. In seiner Sorge um Nicholas und Lisette hatte Caid es vor dem Kampf versäumt, die Unebenheiten im Einzelnen zu untersuchen. Kaum war ihm der Gedanke durch den Kopf gefahren, da merkte er, wie er vor Sarne zurückwich. Er musste sich daher voll und ganz auf seinen Gegner konzentrieren und übersah dabei den Riss in der Leinwand hinter ihm und die Lücke in den Bodenbrettern darunter. Als er die Gefahr erkannte, war es bereits zu spät. Er strauchelte, fing sich mit äußerster Anstrengung und versuchte vergeblich, sich mit einer Finte zu verteidigen.
Ein Treffer für Sarne.
Caids Schulter brannte, als würde sie von einem Brandeisen versengt, doch er ignorierte den Schmerz und verließ sich auf seinen Instinkt und seine blitzschnellen Reflexe, die Frucht der zahllosen Stunden, in denen er sich in Angriff und Parade, Ausfall und Nachstoß gedrillt hatte. Doch der ziehende Schmerz in seiner verkrampften Schulter kostete ihn den entscheidenden Sekundenbruchteil. Sarne bemerkte es und seine Zuversicht wuchs. Seine Bewegungen wurden flinker und aggressiver, seine Angriffe schienen direkt auf die verletzte Stelle gerichtet, als würde er mit teuflischer Gerissenheit Caids wunden Punkt genau kennen. Im Moment konnte Caid nichts weiter tun, als die Stellung zu behaupten und zu warten, dass der Schmerz nachließ. Auf beiden Seiten gab es Treffer, bis jeder der beiden Kontrahenten schließlich drei erzielt hatte.
Da ergriff Sarne die Initiative und ging zum Angriff über. Auf diesen Augenblick hatte Caid gelauert wie ein Panther auf den unvorsichtigen Hirsch. Er parierte rasch und gewandt, wobei er sich die Nachlässigkeit seines allzu siegessicheren Gegners zu Nutze machte.
Ein
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