Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gefechte der Leidenschaft

Titel: Gefechte der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
Vom Netzwerk:
nicht mehr, um die Reden zu hören und um mit den anderen jeden Hieb und jede Parade des Tages durchzukauen.
    Stattdessen klemmte er sich sein Florett unter den Arm, zog die Maske ab, riss sich das Schutzpolster vom Oberkörper und warf die Ausrüstung beiseite. Im nächsten Augenblick war er schon auf der Straße und im Laufschritt unterwegs zu Lisettes Stadthaus.

Zwanzigstes Kapitel
    Lisette ging allein zu Henri Moisant. Zum einen, weil sich Agatha nach den schlimmen Ereignissen der letzten Nacht noch immer nicht wohl fühlte, zum anderen aber auch, weil Lisette lieber ohne Begleitung sein wollte. Die Dinge, die sie Eugenes Vater nach all dieser Zeit sagen musste, wurden besser nicht vor Dritten besprochen. Sie war merkwürdig ruhig, fast schicksalsergeben. Gewiss, sie besaß jetzt ihre Selbstständigkeit, doch noch immer war sie darauf vorbereitet, dass sein höheres Alter ihr Respekt einflößen und sie dieselbe Furcht empfinden würde, die sein Zorn einst in seinem gesamten Haushalt verbreitet hatte. Auch jetzt würde er zornig werden, aber das spielte kaum noch eine Rolle.
    Im Stadthaus der Moisants wurde sie wie eine Fremde empfangen, obwohl sie erst wenige Wochen zuvor fortgegangen war. Es erschien ihr beinahe unwirklich, dass sie sich jetzt innerhalb der gleichen Mauern wiederfand, deren Enge sie einst so dringend hatte entfliehen wollen. Der Haushälterin die Treppe hinauf in den Salon zu folgen fiel ihr schwer, doch sie meisterte die Prüfung mit stolz erhobenen Kopf und ohne ein äußeres Zeichen von Beklommenheit. Das war sie sich einfach schuldig.
    Man bat sie zu warten, während der Hausherr von ihrem Besuch benachrichtigt wurde. Während sie so durch das Zimmer wanderte, fiel ihr zum ersten Mal auf, wie abgewetzt die Teppiche waren, wie fleckig die Polstermöbel und die schlaffen Vorhänge, auf denen die Kohlenfeuer zahlloser Winter ihre rußigen Spuren hinterlassen hatten. Gegen diese Schäbigkeit wirkte ihr neues Ausgehkleid aus schwarzer Seide mit dem Kragen und den Manschetten aus kostbarer Spitze einfach zu frisch, zu elegant. Das alles hatte sie vorher nicht bemerkt. War auch sie selbst während ihrer Ehe mit Eugene so schäbig geworden, weil sie sich aus Angst vor wortloser Missbilligung nicht getraut hatte, sich etwas Neues zu kaufen?
    Wie viele lange Stunden hatte sie hier mit einer Handarbeit oder einem Buch gesessen und auf die Rückkehr ihres Mannes oder Schwiegervaters gewartet, die ihren vielfältigen Geschäften nachgingen! Ohne es wirklich zu wissen, war sie unendlich einsam gewesen. Seltsam, wie sich Dinge so allmählich entwickelten, dass sie einem am Ende ganz normal vorkamen. Wie unter dem Bann eines bösen Zaubers hatte sie hier gelebt, bis Eugenes Tod sie erlöste.
    Lisette hörte ein Geräusch hinter sich und drehte sich um. Henri Moisant war gerade ins Zimmer getreten und sie fragte sich, ob er wirklich beschäftigt gewesen war oder ihr nur zeigen wollte, wie unwichtig ihm ihre Anwesenheit erschien. Das hätte sie gern gewusst — nicht weil die Frage sie wirklich bewegte, sondern weil die Antwort ihr einen H inweis auf seine Stimmung gegeben hätte. Er blieb stehen, offenbar in der Erwartung, dass sie zu ihm kommen würde. Das tat Lisette nicht, sondern wartete einfach, bis er sie begrüßte.
    »Ein unverhofftes Vergnügen«, sagte er knapp, während er schließlich näher kam. »Ich hätte nicht gedacht, dass du es wagen würdest, hierher zu kommen.«
    »Sie haben es selbst vorgeschlagen, wenn ich mich recht entsinne.«
    »Kann sein. Setz dich doch.«
    Es klang eher nach einem Befehl als nach einer Einladung, mit dem er auf ein Sofa deutete, das breit und niedriggebaut war, um den weiten Röcken der Damen Platz zu bieten. Dort hätte sie praktisch zu seinen Füßen gesessen und so antwortete sie mit ruhiger Stimme: »Ich möchte lieber stehen bleiben. Für das, was ich zu sagen habe, brauche ich nicht lange.«
    »Du spannst mich auf die Folter.«
    Er fühlte sich schon siegesgewiss. Es hatte keinen Sinn, die Sache lange hinauszuzögern, also befeuchtete Lisette die Lippen und sagte: »Ich bin zu der Auffassung gekommen, dass ich Ihnen eine gewisse Rücksichtnahme schuldig bin.«
    »Damit habe ich gerechnet, nach dem, was letzte Nacht geschehen ist.«
    »Kein Wunder, immerhin haben Sie mir klar gemacht, dass es sonst üble Folgen für diejenigen hätte, die mir etwas bedeuten. Und da ich kein weiteres Blutvergießen ertragen kann, bin ich bereit, in Ihr Haus

Weitere Kostenlose Bücher