Gefesselte Lust
einen mit kleinen Mosaiksteinen gefliesten Boden. Der Abfluss befindet sich genau vor meinen Füßen; anstelle eines einzelnen Duschkopfs gibt es hier gleich vier Stück, die meinen Körper von allen Seiten mit wohlig warmem Wasser besprühen. Zufrieden seufzend bleibe ich länger unter der Dusche stehen als nötig, aber meine verkrampften Muskeln sind mir dankbar dafür. Immerhin wurden sie in der Nacht auf bisher unbekannte Art und Weise beansprucht. Diesmal kann ich die Erinnerungen nicht aufhalten, und ich lasse in Gedanken jede Berührung, jeden Moment wiederauferstehen.
Vor dem Spiegel über dem Waschbecken betrachte ich mich eingehend; die Stricke haben keine Spuren hinterlassen und ich spüre auch keine Schmerzen. Im Gegenteil, während ich mich mustere, muss ich an meinen Anblick mit dem Seil denken. Es hat mir gut gestanden. Ich möchte das noch einmal erleben.
Mit handtuchfeuchten Haaren und wieder vollständig angezogen gehe ich in das Wohnzimmer mit der offenen Küche, an der Jonah bereits hantiert. Er hat mir seinen breiten Rücken zugewandt und hört mich über das Brutzeln der Pfanne gar nicht näher kommen.
Neugierig stelle ich mich neben ihn, während er kleine Fleischrouladen mit Salbeiblättern und Schinken füllt. Quasi nebenbei rührt er in einem Topf, in dem ein cremiges Risotto im Entstehen begriffen ist. Jonah bemerkt mich endlich und lächelt. »Jetzt erst aufgestanden?«
Sein Lächeln berührt etwas in mir, und ich kann nicht anders, als es zu erwidern. »Ich war ziemlich … erschöpft.«
Er lacht leise und fährt fort, das Essen zuzubereiten. Ich beobachte ihn und lehne mich dabei mit dem Rücken gegen die Arbeitsplatte. »Wir haben noch nicht darüber gesprochen, wie lange unsere …« Mir fehlt das passende Wort, um die Art unserer Beziehung zu beschreiben. Ausgerechnet ich, Frau Top-Journalistin! Liaison? Affäre?
»Abmachung?«, hilft Jonah mir aus, ohne aufzusehen.
»Eben das«, fahre ich fort und versuche mir meine Verunsicherung nicht anmerken zu lassen. »Wie lange soll das gehen? Und wie genau stellst du es dir vor? Ich kann nicht mein Leben lang mit dir an Geheimprojekten arbeiten.«
Die kleinen Saltimbocca gleiten in die heiße Pfanne. Es zischt. »In der Regel benötige ich dafür einen Monat. Alles muss perfekt sein, sonst hat es keinen Sinn für mich.« Er sieht auf. »Und es kann durchaus vorkommen, dass wir beide wieder an einem Geheimprojekt arbeiten, aber ich werde dich in Zukunft früher darüber informieren.« Auch wenn die Worte streng wirken, nimmt der heitere Ton seiner Stimme ihnen die Spitze. »Sobald du so weit bist, und diesen Zeitpunkt bestimme ich, werde ich ein Treffen mit dem Fotografen arrangieren. Wenn das Fotoshooting beendet ist, geht jeder von uns wieder seiner Wege.«
»Und …« Mir bleiben die Worte im Hals stecken, doch wir wissen beide, was mir auf der Zunge lag: Und dann? Was kommt danach?
Jonah ignoriert die unausgesprochene Frage, und ich weiß nicht, ob ich froh darüber sein soll, oder nicht.
Die Saltimbocca sind köstlich, und das cremige Risotto schmeckt so gut, dass ich am liebsten den ganzen Topf aufgegessen hätte.
Als wir mit dem Essen fertig sind, wird es für mich Zeit zu gehen. Jonah sagt mir, dass er mich bald wegen eines neuen Treffens anrufen wird, und ich verabschiede mich. Er ist wieder so distanziert wie zuvor, aber das Versprechen, dass wir uns bald wiedersehen werden, auf sehr intime Weise wiedersehen werden, lässt mich seine Distanziertheit vergessen.
Den Rest des Tages verbringe ich damit, mich durch diverse Seiten zum Thema Bondage zu googeln. Einige der Bilder und Erklärungen sind einfach nur lächerlich, und das Bild eines abgebundenen Penis, der zu lange in der Schlaufe feststeckte, jagt mir sogar Angst ein. Andere Bilder wiederum sind sehr schön.
Ich erfahre, dass Bondage sowohl zum Lustgewinn als auch aus ästhetischen Gründen angewandt wird – dabei gibt es immer einen, der fesselt, und einen, der gefesselt wird. In einer guten Bondage-Beziehung ist Vertrauen das Wichtigste. Erst dann kann derjenige, der die Seile knüpft, das bestmögliche Ergebnis erzielen.
Eine besondere Form des Bondage, so lerne ich, ist das Shibari, eine Variante, die ursprünglich aus Japan kommt. Unter den Beispielen für Shibari finde ich auch das Karada wieder, das Jonah mir letzte Nacht angelegt hat. Es gibt noch weitere Figuren, die mir gefallen, und die Vorstellung, dass Jonah auch diese an mir ausprobieren wird,
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