Gefeuert
Wirtschaftskrise geführt hat.
Ich habe mir in den vergangenen Monaten vorgenommen, nach der Elternzeit diesen Wahnsinn nicht mehr im bisherigen Ausmaß mitzumachen, stärker Grenzen zu ziehen. Doch nie hätte ich damit gerechnet, gekündigt zu werden, gar nicht mehr arbeiten zu dürfen. Jetzt ist die Frage, wie ich diesen Vorsatz mit der Kündigung und Jobsuche vereinbaren kann. Gar nicht, nehme ich realistischerweise an. Gerade von Neulingen wird voller Arbeitseinsatz verlangt – »weit über die übliche Arbeitszeit hinaus« heißt das dann im Zeugnisdeutsch.
Sarah ist heute entspannt, sie hat sich einen freien Tag genommen und dadurch ein verlängertes Wochenende hinter sich, in das sie all das hineingepackt hat, was für sie Ausgleich zur Arbeit ist. Sie war Sushi essen und beim Salsatanzen, bei einem philosophischen Gesprächskreis und einem Blind Date mit einer Internetbekanntschaft, und ob sie auch in der Sauna und beim Shoppen war, weiß ich nicht mehr so genau, da mir, die ich in meinem Familienalltag eingesponnen bin, ihr Freizeitverhalten eher fremd ist. Trotzdem habe ich mich gerne lange und ausführlich mit ihr darüber unterhalten, vor allem weil sie rücksichtsvollerweise nicht nach dem Stand meiner drohenden Arbeitslosigkeit gefragt hat. Danke, Sarah!
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Die Kündigung
Die folgenden Tage warte ich auf die Kündigung. Es macht mich unruhig zu wissen, dass sie kommen wird. Ich will es hinter mich bringen. Jedes Mal, wenn ich den Postboten sehe, denke ich: »Jetzt ist es so weit.« Aber das ist es nicht. Herr Roth lässt sich Zeit. Das hat etwas von Folter. Ich wundere mich, wo die Kündigung bleibt, nachdem der Firma jetzt die Genehmigung vom Gewerbeaufsichtsamt vorliegt.
Diese Warterei weckt unrealistische Hoffnungen in mir. Ich weiß das, kann die Gedankenspielerei aber dennoch nicht abstellen: »Wollen sie mich etwa doch behalten? Tut sich irgendetwas im Unternehmen?«, frage ich mich.
Als ich tatsächlich schon überlege, anzurufen und nachzuhaken, kommt mir Herr Roth zuvor. Er klingelt wieder um die Mittagszeit. Diesmal habe ich schon gegessen. Ich bin gerade dabei, den Tisch abzuräumen.
»Ich wollte Ihnen nur sagen, dass wir Ihnen die Kündigung zustellen. Das Gewerbeaufsichtsamt hat ja jetzt zugestimmt.«
»Mhmh.« Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll, und beschließe, wenigstens einen Laut von mir zu geben.
»Sie müssen aber nicht zu Hause warten. Wir schicken extra einen Kurier, der ist gleich da.«
Na, das ist ja mal ein Service, denke ich. Ich hatte auch nicht vor, stundenlang zu Hause zu warten, um die Kündigung entgegennehmen zu dürfen! Im Gegenteil, jetzt wo ich weiß, dass sie kommt, will ich am liebsten ganz weit weg sein.
Tatsächlich klingelt es wenig später. Ein hochsommerlich gekleideter Kurier mit Schnauzer steht vor der Tür. Er trägt gelbe Shorts, die untrainierte Oberschenkel frei lassen. Ella ist auf das Klingeln hin in den Gang gerast und staunt ihn verwundert an.
Da steht er mit beigen Strümpfen in braunen Sandalen, etwas verlegen, und wartet darauf, dass der Empfang des Briefes bestätigt wird. Ich schreibe meinen Namen bemüht deutlich, wasich sonst nie mache. Will ich der besonderen Bedeutung dieses Moments gerecht werden? Ich halte meine erste Kündigung in der Hand. So unspektakulär gehen 15 Arbeitsjahre zu Ende.
Ich reiße das Kuvert gleich auf. Früher oder später muss ich den Brief ja sowieso lesen und ich will jetzt wissen, was genau drinsteht, wie so etwas formuliert wird. Johannes sieht mir neugierig über die Schulter, wendet sich aber schnell wieder ab. Das ist ihm jetzt zu viel Text. Er will raus an die Sonne und verabschiedet sich zusammen mit Ella, um ins Schwimmbad zu gehen.
Da stehe ich nun mit meiner Kündigung allein im Gang. Ich hatte sie mir anders vorgestellt. Nirgendwo steht das Wort »Kündigung«. Es steht auch nirgendwo ein Wort des Dankes für die gute langjährige Zusammenarbeit. Ein Satz stößt mir besonders auf. Im zweiten Absatz wird auf die Stellungnahme des Betriebsrats verwiesen und dann heißt es: »Das Gewerbeaufsichtsamt hat der Kündigung ebenfalls zugestimmt.« Das Wort »ebenfalls« stimmt nicht, stelle ich spitzfindig fest. Zwar hat das Amt zugestimmt, der Betriebsrat aber widersprochen, denn Herr Roth hat den Widerspruch sogar beigelegt. Nur hilft es mir leider gar nichts, diese Ungenauigkeit entdeckt zu haben.
Ich schaue mir den Widerspruch des Betriebsrats an. Es ist mir so unglaublich
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