Gefeuert
eigenen Zeugnis zu korrigieren und es ihm dann zur Unterschrift weiterzuleiten.
Danach bin ich zufrieden, schon so viel geschafft zu haben. Ich klopfe mir auf die Schulter und gestehe mir zu, mit meiner Gekündigtenarbeit für heute aufzuhören.
Ich beginne mit den Vorbereitungen fürs Mittagessen. Die vergangenen Tage habe ich hin und her überlegt, ob ich Ella erzählen soll, was los ist. Ich möchte auf keinen Fall, dass sie sich Sorgen macht, weil ich möglicherweise den Job verliere. Andererseits halte ich es auch nicht für richtig, ihr so etwas Wichtiges zu verschweigen. Außerdem weiß ich, dass Kinder vieles gar nicht so tragisch nehmen wie befürchtet, weil sie einen ganz anderen Blick auf die Dinge haben als wir Erwachsenen. Jetzt, nachdem ich schon ein Erfolgserlebnis hatte, fasse ich den Mut, endlich etwas zu sagen. Ich bin fest entschlossen, jede Art von Drama zu vermeiden.
Als Ella zu mir in die Küche kommt, um mir das frisch geputzte Gemüse unterm Messer wegzuklauen, halte ich es für eine gute Gelegenheit, damit herauszurücken. Da ich nicht weiß, wie ich anfangen soll, stolpere ich unvermittelt ins Thema hinein:
»Ich wollte dir erzählen, dass das Projekt, für das ich gearbeitet habe, eingestellt wird.«
»Wieso?« Ella sieht mich verwundert an, den Großteil meines mühselig klein gehackten Gemüses in ihrer mit bunten Farben verschmierten rechten Hand.
»Anscheinend hat das Unternehmen im Moment nicht so viel Geld. Und dann werden Dinge, mit denen sich noch nichts verdienen lässt, eben eingestellt.«
»Wirst du jetzt arbeitslos? Muss ich dann nicht mehr zum Klavierunterricht? Das ist doch viel zu teuer …«, schiebt sie etwas scheinheilig nach.
»Nee, so weit kommt es nicht«, ich wende den Kopf ab, damit sie mein Schmunzeln nicht sieht. Das hat sie blitzschnell parat gehabt. Alle Achtung. Klavierspielen ist leider in letzter Zeit zum Streitthema geworden, weil sie nicht gerne übt.
»Ich bin erst mal noch in Elternzeit«, schwäche ich ab. »Natürlich spielst du weiter Klavier.« Da trollt sie sich maulendin ihr Zimmer – nicht ohne vorher noch schnell eine weitere Handvoll Gemüse abzustauben.
»Na, nimm dir mal ein Beispiel an deiner Tochter«, sage ich mir. »Sie bleibt ganz unaufgeregt und denkt praktisch.« Und sie hat recht. Wer weiß, wie lange wir uns den Klavierunterricht noch leisten können.
Während ich mit der Gemüseschneiderei von vorne beginne, kommt mein Mann nach Hause. Er winkt schon im Flur mit einem offiziell aussehenden Brief, der mit der Post gekommen ist. Er ist neugierig, wer mir da wohl schreibt. Aber ich ahne schon, was mich erwartet, und tatsächlich: Es ist ein Bescheid vom Gewerbeaufsichtsamt.
Die Behörde hat meiner Kündigung zugestimmt.
Als Anlage liegt die Kopie einer Rechnung bei. Knapp 200 Euro hat der Amtsweg meinen Arbeitgeber gekostet. Ich überlege kurz, ob ich die Anwältin informieren soll. Jetzt wird die Kündigung nicht lange auf sich warten lassen, befürchte ich.
Ich bin nicht wirklich überrascht. Schließlich musste ich damit rechnen, dass die Entscheidung so ausfällt. Zwar hatte ich die Hoffnung, es könnte anders kommen. Aber jetzt nehme ich den Ausgang gleichsam ohnmächtig zur Kenntnis. Was soll ich auch anderes machen? Die Kündigung, dieses schreckliche Zukunftsgespenst, ist also unvermeidbar. Wut kommt in mir hoch. Diesmal trifft sie den Beamten vom Gewerbeaufsichtsamt. Blieb ihm wirklich nichts anderes übrig, als zuzustimmen? Das kann doch gar nicht sein, dass sich der angebliche »besondere Schutz« der Elternzeit so mir nichts dir nichts in Luft auflöst! Gerade im Fall meines Arbeitgebers, der Tausende Mitarbeiter hat – wieso kann er so leicht den Kündigungsschutz umgehen? Und auch auf mich selbst bin ich wütend. »Da hast du’s!«, schimpfe ich mich. »Was sollte der Eiertanz die letzten Wochen. War doch klar, dass dir gekündigt wird.«
Ich starre weiter auf den Brief in meiner Hand. Vier Wochen haben wir Zeit für einen Widerspruch gegen den Bescheid, lese ich unter der fett gedruckten »Rechtsbehelfsbelehrung«.
»Soll ich jetzt widersprechen?«, frage ich mich. Fast kommtwieder diese vergebliche Hoffnung auf. Ich will schon zum Telefon eilen, um die Anwältin anzurufen. Doch dann, plötzlich lethargisch, stecke ich den Brief zurück ins Kuvert und beschließe, erst die Kündigung abzuwarten, die sicher die nächsten Tage kommen wird. Ich sehe auf einmal keinen Sinn darin, wieder die Anwältin zu
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