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Gefeuert

Titel: Gefeuert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Berger
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Gedanken wieder in die Gegenwart zurück.
    Herr Roth sieht mich an. »Am besten, Sie lesen sich das in Ruhe durch und melden sich dann bei mir«, sagt er. »Ich bin jetzt zwei Wochen in Urlaub, aber dann wieder für Sie zu erreichen.« Er gibt mir seine Visitenkarte. »Hier haben Sie alle meine Daten, auch die E-Mail -Adresse.«
    Als wüsste ich nach all den Jahren seine Durchwahl und E-Mail -Adresse nicht auswendig.
    Ich verlasse Herrn Roth sehr konsterniert. Nie hätte ich gedacht, dass ich mich einmal über die Jahre meiner Betriebszugehörigkeit streiten müsste. Ich war so naiv zu glauben, es werde schon alles berücksichtigt. Ich verstehe ihn auch nicht. Für das Unternehmen wäre das eine kleine Geste und eine verschwindend geringe Summe, und ich wäre zufrieden. Dieses Geschachere um die Dauer meiner Arbeitszeit ist so unnötig.
    Als ich nach Hause komme, steht Johannes in der Küche und brät Reibekuchen.
    »Und, wie war’s?«, fragt er fröhlich mit dem Pfannenheber in der Hand. Ich weiß nicht, ob er wirklich fröhlich ist oder betont gute Stimmung verbreiten will, weil ich von einem ernsten Abfindungsgespräch komme. Aber ich habe gerade keine Energie, mir darüber Gedanken zu machen. Eines ist auf jeden Fall klar: Ich bin heute arm dran.
    »Beschissen, furchtbar. Ich bin total erschüttert«, antworte ich dementsprechend.
    Johannes lässt den Pfannenheber sinken: »Was ist denn los?«
    »Die rechnen mir nicht meine gesamte Betriebszugehörigkeit an. Sie klauen mir einfach ein paar Jahre!« In meinem Ton schwingt Empörung mit. Habe ich nicht auch alles Recht, mich zu beschweren? So eine Schweinerei, und das nach all den Jahren, in denen sie angeblich so zufrieden mit mir waren.
    »Nimm die Abfindung und lass es gut sein. Sei froh, dass du überhaupt etwas bekommst.« Er will mich trösten. Und ich bin mir unsicher, ob er recht hat oder nicht. Aber ich will jetzt nichtvernünftig sein. Mein Gerechtigkeitsgefühl ist verletzt. Auch mein Stolz ist verletzt und ich bin nicht zu trösten. Basta.
    Ich faxe den Wisch der Anwältin, telefonisch erreiche ich sie nicht. Dann gehe ich Laufen, um mich abzureagieren. Aber Herr Roth läuft mit seiner blöden Abwicklungsvereinbarung die ganze Zeit mit. Wen oder was wickelt er damit eigentlich ab? Das Projekt? Den Job? Mich? Hat er mich also damals, als ich im Unternehmen anfing, aufgewickelt? Heißen Arbeitsverträge im Personaler-Deutsch womöglich Aufwicklungsvereinbarungen? »Frau Müller«, sagte Herr Roth wohl damals zu seiner Sekretärin. »Drucken Sie mal die Aufwicklungsvereinbarung für Frau Berger aus.«

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    Falsche Fragen
    Heute Nacht habe ich schlecht geschlafen. Ich habe von Herrn Roth geträumt. Meine Kollegen, Jürgen, Herr Roth und ich waren auf einer Strandparty. Ich erinnere mich genau an Herrn Roths Badehose. Sie war grünbraun-orange und im 70er-Jahre-Stil gemustert. Herr Roth schleppte dann plötzlich eine aufblasbare Badeinsel an. Niemand wollte sie benutzen, aber ich setzte mich hinein und Herr Roth stieß mich ins Meer. Plötzlich machte es einen Knall und die Luft strömte aus dem Ding. Ich blickte Hilfe suchend zum Strand und sah, wie meine Kollegen aufgeregt mit den Armen winkten. Herr Roth war nicht mehr da. Dann bin ich aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen.
    Seither tigere ich unruhig durch die Wohnung. Ich warte nur darauf, mich endlich mit der Anwältin besprechen zu können. Um zehn Uhr erwische ich sie. Das Gespräch ist aber nicht sehr ergiebig. Sie verspricht, mit Herrn Roth Kontakt aufzunehmen, aber jetzt fährt sie auch erst einmal zwei Wochen in Urlaub.
    »Na toll«, denke ich und bin getroffen. Meine Kündigung scheint weder ihr noch Herrn Roth viel zu bedeuten, ihr Urlaub ist ihnen wohl wichtiger. »Das passt ja wieder super. Wieso fahre ich eigentlich nicht weg?«, frage ich mich.
    Vorsichtshalber rechnet sie aus, wie lange wir eine Kündigungsschutzklage einreichen können. Nach Zustellung der Kündigung hat man dafür drei Wochen lang Zeit. Wenn sie zurückkommt, müssen ihre Verhandlungen mit Herrn Roth schnell über die Bühne gehen. Drei Tage bleiben ihr dann noch.
    Kaum habe ich den Hörer aufgelegt, klingelt es. Luc ist dran.
    »Jetzt hat’s mich auch erwischt«, sagt er. »Ich bin meinen Job los.«
    »Wie jetzt?«, ich kann es nicht fassen. »Hast du das mit dem Minderleister-Sein etwa doch hingekriegt?«
    »Schön wär’s. Dann stünde ich jetzt besser da. Nein, die Firma macht dicht. Allen wird

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