Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gefeuert

Titel: Gefeuert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Berger
Vom Netzwerk:
unangenehm und peinlich, nun lesen zu müssen, dass meine Kündigung eine »besondere soziale Härte« ist, weil ich zweifache Mutter und »Ernährerin« meiner Familie bin. Diesen rührseligen Widerspruch habe ich nicht nötig! Ich will doch nicht angestellt bleiben, weil ich ein sozialer Härtefall bin, sondern weil ich zum Unternehmen dazugehöre!
    Mein Entsetzen wird noch größer, als ich wieder zur ersten Seite mit der Kündigung zurückblättere. Hier wird mir im letzten Absatz unter die Nase gerieben: »Wir weisen Sie darauf hin, dass Sie zur Aufrechterhaltung ungekürzter Ansprüche auf Arbeitslosengeld verpflichtet sind, sich rechtzeitig beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.«
    Es wäre mir lieber gewesen, diesen Satz nicht lesen zu müssen.Er kommt einer Vorverurteilung gleich. Natürlich suche ich »aktiv« nach einer Beschäftigung. Ich empfinde es als demütigend, auf diese Weise ermahnt zu werden. Ich ärgere mich über diese unnötige Maßregelung und vermute, dass der Gekündigte so auf seinen Platz verwiesen werden soll, damit er ja nicht auf die Idee kommt, mit dem Arbeitslosengeld ein Jahr Faulenzen einzulegen.
    Ich faxe die Kündigung sofort meiner Anwältin und rufe sie kurz darauf an. Das macht nichts besser. Sie spricht von einem »höchstinstanzlichen Urteil«, das leider meine Chancen drastisch verschlechtern würde. Deswegen habe auch das Gewerbeaufsichtsamt zugestimmt.
    Wenn ich sie richtig verstehe, ist mein Pech, dass mein Arbeitgeber aus einem Sammelsurium an Tochterunternehmen besteht. Das Bundesarbeitsgericht hat geurteilt, dass es keine konzernübergreifende Sozialauswahl gibt, wenn eine Tochterfirma geschlossen wird und deren Betriebszweck wegfällt. Das bedeutet für mich, dass mein Arbeitgeber mich nicht in eine andere Tochterfirma übernehmen muss und eine Kündigungsschutzklage erfolglos wäre. Für mich Laien ist das schwer nachvollziehbar. Nur weil unser Unternehmen laufend Tochtergesellschaften ausgegliedert hat, gehört schließlich dennoch alles zusammen.
    Schlimmer als die Information über dieses Urteil ist aber meine Enttäuschung darüber, dass die Anwältin das einfach hinnimmt. Ich hätte mir energischen Zuspruch erwartet, in der Art: »Machen Sie sich keine Sorgen. Wir boxen Ihr Recht durch! Und wenn wir dafür vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen müssen. Sie werden Rechtsgeschichte machen!«
    Stattdessen bittet sie darum, ihr das Abfindungsangebot zu faxen, sobald ich es habe.

    Das Abfindungsangebot erhalte ich nur wenige Tage später. Als es mir übergeben wird, sitze ich im Büro von Herrn Roth, meinem Personalreferenten. Ich schreibe aus reiner Gewohnheit»mein«, tatsächlich sehe ich Herrn Roth, seit er mir gekündigt hat, nicht mehr als »meinen« Referenten an.
    Er gehört jetzt zur Gegenseite.
    Wer genau diese Gegenseite ist, ist schwer zu bestimmen. Es ist kompliziert, einen Schuldigen zu finden für das Aus des Projekts, für die Kündigungen, für die »Abwicklungsvereinbarungen«, für den Umgang mit uns betroffenen Mitarbeitern.
    »Abwicklungsvereinbarung« nennt Herr Roth die Sache mit der Abfindung. Der Deal ist, dass man unterschreibt, nicht gegen die Kündigung zu klagen, und dafür einen Batzen Geld erhält. So ist es im Kündigungsschutzgesetz geregelt. In § 1a steht: Bei Kündigungen aus betrieblichen Erfordernissen hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abfindung – solange er nicht klagt.
    Meistens hört man von Abfindungen, die Managern gezahlt werden. Das sind dann gleich mehrere Millionen Euro. Bei ganz normalen Mitarbeitern ist dieser Haufen ungleich kleiner. Würde man ihn neben eine Managerabfindung legen, wäre er kaum zu sehen – wer einen Größenvergleich braucht, kann sich den Managerbatzen in Größe einer mit 50 0-Euro -Scheinen gefüllten Badewanne vorstellen, der Mitarbeiterbatzen passt locker in eine Hand. Um ein paar Zahlen zu nennen: Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick bekam nach sechs Monaten Einsatz 15 Millionen Euro und Porsche-Chef Wendelin Wiedeking erhielt bei seinem Abgang satte 50 Millionen Euro.
    Während bei Managern die Abfindung nichts anderes ist als die Auszahlung der Restlaufzeit ihres Vertrages, soll die Abfindung den einfachen Mitarbeiter für den Verlust seines Arbeitsplatzes entschädigen. Dafür ist sie jedoch bei Weitem nicht hoch genug, in der Wirtschaftskrise, die es schwer macht, eine neue Stelle zu

Weitere Kostenlose Bücher