Gefeuert
nichts. Es geht einfach nicht. Nur will ich das ihr gegenüber nicht betonen. Sie soll von meinen Sorgen nichts spüren.
»Das machen wir bald«, versuche ich zu vertrösten. »Es ist doch schön, wenn wir Opa besuchen. Wir waren lange nicht mehr dort.«
Wegen des Arbeitspakets verschiebt sich unsere Abfahrt um zwei Tage. Ich bin erleichtert, als ich den dicken Umschlag andie Agentur endlich in den Briefkasten stecke und wir losfahren können. Am ersten Abend unseres Besuches machen wir eine Spritztour aufs Land zu einem Dorffest und genießen den Blick auf weite Felder und einen wunderschönen Sonnenuntergang. Eine Band spielt laut und leidlich alte Rocksongs. Die Stimmung ist sehr entspannt – bis, eigentlich wie zu erwarten, die Rede auf meinen Job kommt.
»Besteht denn keine Möglichkeit, dass du eine andere Position im Unternehmen erhältst?«, fragt mich mein Vater unvermittelt.
Im Augenwinkel sehe ich seine Lebensgefährtin zustimmend nicken. Offenbar haben sich beide schon darüber ausgetauscht und sind sich einig, dass das doch eine prima Idee und Lösung wäre. Ich fühle mich in der Rolle des Problemkindes und habe es satt. Derart in die Ecke gedrängt, finde ich endlich die richtige Reaktion. Ich antworte entschlossen und gebe mir einen Anstrich von Überlegtheit. Mein Konter kommt leicht aggressiv, was mit etwas Wohlwollen aber auch als energisch verstanden werden kann.
»Ich spiele mit dem Gedanken, mich selbstständig zu machen. So kann ich nicht nur meine Kontakte nutzen, sondern ich bleibe dadurch auch im Gespräch, falls eine Position frei werden sollte.«
Es funktioniert. Mit dieser Antwort sind beide zufrieden und wir wechseln das Thema.
Nachdem dieser Punkt geklärt ist, gelingt es mir, die nächsten Tage abzuschalten. In meinem Heimatort spüre ich eine Unbeschwertheit, wie ich sie zuletzt als Jugendliche hatte, als mir Worte wie »Finanzamt« und »Dispokredit« noch völlig fremd waren. Es gelingt mir tatsächlich, fast nie an die Arbeitsagentur zu denken.
Wieder zu Hause, gehe ich der Idee mit der Selbstständigkeit nach. Bisher war meine Überlegung, dadurch meine Chancen bei der Jobsuche zu verbessern. Wenn ich durch freie Aufträge von mir reden mache, denkt man vielleicht eher an mich, wenneine Stelle zu besetzen ist. Die Selbstständigkeit war ursprünglich also nur als Übergangslösung gedacht. Von Luc weiß ich aber, dass die Arbeitsagentur Existenzgründungen unterstützt. Er will das in Anspruch nehmen. Arbeitslose werden neun Monate lang gefördert, wenn sie eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen. Der monatliche Zuschuss ist so hoch wie das Arbeitslosengeld, oben drauf kommen noch 300 Euro für die soziale Absicherung (siehe auch Seite 228). Diese kann man im Anschluss für weitere sechs Monate beantragen.
Das klingt gut und wirklich überlegenswert. Der Nachteil ist: Nach den neun Monaten ist Schluss. Wenn es bis dahin nicht geklappt hat, sich als Selbstständiger zu etablieren, gibt es kein Arbeitslosengeld mehr.
»Dann kommt nur noch Hartz IV«, sagt Experte Luc drastisch. Er will die Existenzgründung so weit wie möglich hinausschieben und erst einmal arbeitslos sein, aber nebenher bereits die Selbstständigkeit aufbauen. Das hat ihm ein Gründungscoach sogar explizit empfohlen. Neun Monate seien so schnell rum, war dessen Argument. Das stimmt wohl. Das Arbeitslosengeld dagegen gibt es – je nachdem, wie lange jemand eingezahlt hat – für unter 5 0-Jährige maximal 12 Monate lang.
Das war vor ein paar Jahren deutlich besser. Vor der Hartz-Reform, die 2005 unter der Regierung Schröder in Kraft getreten ist, wurde bis zu 32 Monate Arbeitslosengeld gezahlt, danach gab es die Arbeitslosenhilfe, die 50 – mit Familie 57 – Prozent des Nettoeinkommens vor der Arbeitslosigkeit betrug. Jetzt gibt es nach dem Arbeitslosengeld nur noch die »Grundsicherung für Arbeitslose«, also Hartz IV – und das nur dann, wenn man »bedürftig« ist, also keinen Partner hat, der einen mitversorgen kann, und über kein Vermögen verfügt.
Seit ich meinem Vater gegenüber das Wort »selbstständig« erwähnt habe, recherchiert er für mich darüber. Er schickt mir Mails, wo es welches Startkapital gibt und ruft an, sobald er von neuen Tricks gehört hat.
»Eine Bekannte meines Geschäftspartners hat sich kündigen lassen. Nach zwei Tagen Arbeitslosigkeit hat sie sich selbstständiggemacht und 30 000 Euro dafür bekommen«, erzählt er begeistert.
Ich reagiere reserviert. Ich
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