Gefeuert
sehr froh, wieder gehen zu können. Den Antrag auf Mitgliedschaft habe ich in die Tasche gesteckt, warum, weiß ich selbst nicht genau. Wahrscheinlich, weil das so eine gute Sache ist, und womöglich auch in weiser Voraussicht, falls ich doch in die Lage geraten sollte, mir dort Hilfe holen zu müssen. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass es so weit nicht kommt.
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Die Jobberaterin
Heute Morgen schrecke ich aus dem Schlaf hoch. Ich habe Angst, verschlafen zu haben, und greife hektisch nach dem Wecker. Der Grund meiner Unruhe ist mein Termin bei der Arbeitsagentur, der mich schon seit Tagen belastet. Ich reagiere völlig übertrieben. Zum einen geht es bei diesem Treffen nur darum, mich persönlich vorzustellen. Und dann ist der Termin erst heute Nachmittag. Auch der Blick auf die Uhr könnte mich jetzt beruhigen. Es ist halb sieben. Ich stehe trotzdem auf und erfülle damit die Erwartungen meiner zuständigen Sachbearbeiterin Frau Mayer, wie ich später erfahren werde.
Am Nachmittag übernimmt Johannes frühzeitig die Kinderbetreuung. Ich will noch meine Unterlagen zusammensuchen und meine schwarze Hose bügeln. Ich packe die Mappe ein, die ich auch beim Gespräch mit Herrn Roth dabeihatte. Nach zehn Minuten laufe ich fertig angekleidet und ausgerüstet in der Wohnung umher.
»Und, wie sehe ich aus?«, frage ich Johannes, als ich bei ihm vorbeikomme. Er sitzt mit dem Kleinen, umgeben von einem Haufen Spielzeug, im Kinderzimmer.
»Nimm den Termin doch nicht so wichtig«, sagt er, ohne auf mein Äußeres überhaupt einzugehen. »Das ist nur eine Behörde.«
»Ich muss doch ordentlich aussehen. Ich will einen professionellen und engagierten Eindruck machen«, erkläre ich ihm.
»Was meinst du, was die dort tragen?«, fragt er leicht abfällig.
Eine Diskussion über den Dresscode von Jobberatern wäre zwar sicherlich interessant, aber ich verlasse ihn lieber, um im Schlafzimmer noch eine Jacke zu holen.
»Machst du dich selbstständig?«, fragt mich Ella, die hier auf dem Bett herumtobt.
»Ich weiß noch nicht, vielleicht.«
»Als Selbstständiger verdient man in einem Monat so viel,dass man sich einen Porsche kaufen kann. Und im anderen Monat hat man nichts zu essen«, sagt sie altklug.
Ich muss lachen. Ich frage mich, wo sie das herhat. »Da darf man halt das Porschegeld nicht auf einmal ausgeben, sondern muss genug für die armen Monate aufheben«, antworte ich ihr.
»Stimmt«, gibt sie mir recht, um nach einem kurzen Moment der Stille zu fragen: »Warum musst du eigentlich zum Arbeitsamt?«
»Ach, das muss man machen, wenn man einen Job sucht. Das gehört zu den Dingen wie Steuern zahlen und zum Zahnarzt gehen. Es ist lästig, muss aber leider sein.« Ich ziehe mich noch einmal um. Mit weißer Hose tauche ich wieder bei Johannes auf.
»Und? Jetzt besser?« Ich bleibe vor ihm stehen.
»Ja.«
»Warum?«
»Das ist heller. Das wirkt teamorientiert.«
Ich muss lachen, obwohl ich etwas erbost bin, dass er mich nicht ernst nimmt. Aber zum Schimpfen habe ich jetzt keine Zeit. Ich will los. Allerdings – wenn ich so aus dem Fenster sehe: »Johannes?«, rufe ich und eile wieder ins Kinderzimmer. »Meinst du, es regnet bald?«
»Das weiß ich nicht.«
»Ich will doch nicht wissen, ob du das weißt, sondern ob du es glaubst?«
»Ich glaube«, antwortet mein Mann und macht eine Pause, um die Spannung zu erhöhen, »nein.«
Ich bin mir nicht so sicher. Johannes ist in seinen Wettervorhersagen zwar ziemlich treffgenau, aber heute? Ich packe vorsichtshalber meinen Mantel und das Regencape ein. Inzwischen ist meine Tasche so voll, dass ich eigentlich einen Rollkoffer mitnehmen müsste. Sicherlich würde ich damit einen sehr businessmäßigen Eindruck in der Arbeitsagentur machen. Aber ein Rollkoffer passt nicht aufs Fahrrad. Also bleibt es bei der Tasche, in der ich sowieso nie etwas finde. Da kommt es auf die paar Sachen mehr nicht an. Nachdem ich mich noch einmalumgezogen habe (doch die schwarze Hose, falls es regnet), sage ich meinen Lieben Tschüs. Sicherlich sind sie erleichtert, als ich endlich die Tür hinter mir zuziehe.
Ich fühle mich sehr unwohl. Die Schuhe sind unbequem. Und überhaupt, ich sehe doch aus wie meine eigene Tante. Missmutig belade ich mein Fahrrad und mache mich auf den Weg. Nach ein paar Metern fängt es an zu tröpfeln, was mich etwas mit mir und meiner schwarzen Tanten-Hose versöhnt. Ich lasse mir noch einmal durch den Kopf gehen, was ich alles sagen will.
Dieses
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