Gefeuert
Gründungszuschuss beantragen. Du tust doch nichts Verbotenes. Du bewirbst dich und bereitest deine Selbstständigkeit vor. Warum machst du nicht einen Termin mit dem Jobberater und besprichst deine Situation?«
Auf dem Heimweg schwirren mir Lucs Worte durch den Kopf. Allerdings blieben bei mir nicht die beruhigenden, gut gemeinten Ratschläge hängen. Mir klingt nur das »Sonst klappt das nicht« nach. Oh, dieser Formularkrieg im Paragrafendschungel, das ist wirklich nicht mein Ding. Nachdem die Unterlagen beim Finanzamt so lange liegen, kann es tatsächlich sein, dass ich den Beginn der Unternehmensgründung darin zu früh datiert habe. Was mache ich jetzt nur?
Diese Frage beschert mir eine schlaflose Nacht. Ich steigere mich in den Gedanken hinein, dass mir die Arbeitsagentur den Zuschuss wegen einer Formalie verwehrt. Dann fällt mir plötzlich ein: Was ist, wenn du den Zuschuss bekommst, aber kurz darauf die Zusage für den Job deines Exkollegen? Dann musst du hektisch für ein paar Wochen die Krankenversicherungen ändern, funktioniert das überhaupt so schnell? Und was ist, wenn du oder die Kinder in dieser Zeit krank werden?
Auf einmal wird alles zum Problem. Und dann bin ich auch noch selbst daran schuld! Ich ärgere mich, dass ich mich so mit dem Antrag beeilt habe. Ich setze mich damit unnötig unter Zeitdruck.
Zu dieser Eile angetrieben hat mich die Aussicht auf den Vertretungsjob in der Exarbeit. Jetzt, wo nichts daraus wird, könnte ich mir natürlich Zeit lassen. Andererseits bin ich lieber selbstständig als arbeitslos. Das Gefühl, von dieser Behörde abhängig zu sein, ist furchtbar. Ich fühle mich so ausgeliefert.
Am nächsten Morgen sage ich völlig verzweifelt zu Johannes: »Ich dreh durch!«
Umständlich und aufgeregt erkläre ich ihm die Schwierigkeiten,die ich mir in der Nacht ausgemalt habe. Es dauert eine Weile, bis er meine vermeintlich existenzbedrohenden Katastrophenszenarien nachvollziehen kann.
»Was soll ich denn jetzt nur machen?«, frage ich hilflos. In der Nacht hatte ich in Gedanken schon einen herzzerreißenden Brief an die Arbeitsagentur geschrieben, in dem ich erkläre, warum das Datum meiner Unternehmensgründung so früh liegt, und demütig um Verzeihung bitte.
»Jetzt rufst du erst einmal beim Finanzamt an und fragst, ob du den Termin um einen Monat nach hinten schieben kannst«, sagt er ruhig.
Das mache ich. Bereits dem Mitarbeiter, der unter der Nummer der Zentrale abnimmt, erkläre ich umständlich den Grund meines Anrufes. Als er eine Atempause von mir nutzt, um endlich zu Wort zu kommen, sagt er: »Ich verbinde Sie weiter.«
Nun habe ich eine Dame an der Leitung. Ich wiederhole mein kompliziertes Anliegen. Sie findet sofort meine Unterlagen.
»Dann mache ich einen Vermerk. Wir werden das diese Woche bearbeiten.«
»Und klappt das, dass ich erst einen Monat später meine Selbstständigkeit starte?«, frage ich noch einmal, da ich nicht weiß, ob mit einem »Vermerk« die Sache erledigt ist. »Dann könnte ich eine Bewerbung abwarten und den Zuschuss in Ruhe beantragen«, wiederhole ich mich, um Verständnis heischend.
»Von uns aus ist das kein Problem«, sagt sie.
Vor lauter Erleichterung rufe ich aus: »Vielen Dank! Vielen Dank! Ich hatte eine schlaflose Nacht deswegen!«
»Das ist es nicht wert«, sagt sie lachend.
Ich könnte sie umarmen. Plötzlich scheint alles klar und einfach.
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Neues Hin und Her
Heute könnte ein großer Tag werden. Am Nachmittag ist das Vorstellungsgespräch beim Chef meines Exkollegen. Ich wache voller Energie auf und bin gespannt, wie es laufen wird. Doch erst mal kommt ein Brief von der Arbeitsagentur. Was mag das wohl wieder sein? Ich reiße den Umschlag auf. Es ist ein Schreiben meiner Jobberaterin Frau Mayer. Der Betreff lautet »1. Einladung«.
»Sehr geehrte Frau Berger«, schreibt sie. »Ich möchte mit Ihnen über Ihr Bewerberangebot bzw. Ihre berufliche Situation sprechen. Das ist eine Einladung nach § 309 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Verbindung mit § 144 SGB III. Bitte beachten Sie unbedingt die nachfolgenden Rechtsfolgenbelehrungen« und so weiter und so fort. Die Rechtsfolgenbelehrung kenne ich ja schon. Wenn ich »ohne wichtigen Grund« nicht erscheine, wird mir eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld verpasst. Es liegt ein Formular bei. Hier kann ich ankreuzen und ausfüllen, warum ich der Einladung möglicherweise nicht folgen werde.
Ich versuche ruhig zu bleiben, es nicht
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