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Gefeuert

Titel: Gefeuert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Berger
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persönlich zu nehmen. Ich weiß, es ist ein Standardbrief. Er trägt nicht einmal eine Unterschrift. Wer weiß, ob ihn Frau Mayer überhaupt selbst ausgedruckt hat.
    Ich überlege kurz, ob ich mit dem Hinweis auf die laufende Bewerbung und meine Vorbereitungen für den Gründungszuschuss absagen soll. Ich kann das nicht schnell mit Frau Mayer direkt besprechen, da ich weder ihre Durchwahl noch ihre E-Mail -Adresse habe. Auf den Schreiben sind immer nur die Hotline und eine zentrale E-Mail -Adresse angegeben. Ich könnte also nur bei der Hotline anrufen und um einen Rückruf bitten, aber das ist mir jetzt zu kompliziert. Ich beschließe, erst einmal abzuwarten. Der Termin ist in drei Wochen. Wer weiß, was bis dahin passiert. Absagen kann ich dann immer noch.
    Inzwischen erkläre ich mir diese Briefe voller Belehrungen und Drohungen so: Es ist unmöglich, bei Millionen Arbeitslosen ständig zu kontrollieren, ob jeder seine gesetzlich festgelegten »Pflichten« erfüllt, ob zum Beispiel wirklich jeder jeden Tag gesund ist, nicht einen Tag nicht gemeldeten Urlaub bei der Schwiegermama macht und auch brav Bewerbungen auf jeden zumutbaren Job schreibt, selbst wenn das 30 Prozent Einkommensverlust bedeutet. Das ist schlimmer, als einen Sack Flöhe zu hüten. Deswegen versuchen die Arbeitsagenturen, eine Autorität aufzubauen wie ein böser Lehrer alter Schule, der mit dem Stock droht, falls die Kinder nicht spuren. Dahinter steht das Bild des unmündigen Arbeitslosen, der geführt werden muss, weil er nicht von sich aus alles dafür tut, aus der Phase der Joblosigkeit zu kommen. Dem entsprechen die Briefe: Sie sind von vorneherein serienmäßig in einer Sprache der Drohung verfasst. »Tu bloß nichts Unrechtes! Wir erwischen dich und die Strafe wird dich hart treffen«, wird jedem Empfänger auf diese Weise vorsorglich gedroht, als hätte der arbeitslose Mensch per se eine Tendenz zum Faulsein und Regelbrechen.

    Am Nachmittag mache ich mich auf den Weg zu dem Bewerbungsgespräch. Ich kämpfe mich in einem wahren Schneesturm zu der Firma. Es hat erst heute angefangen zu schneien, aber alle Straßen sind mit Schnee bedeckt, es ist rutschig und die Sicht ist schlecht. Schneeflocken fliegen mir ins Gesicht. »Warum musst du auch immer mit dem Fahrrad fahren?«, schimpfe ich mich. »Andere Bewerber nehmen doch auch das Auto oder die U-Bahn !« Ich stelle mir vor, wie ich in eleganten und sauberen Bewerberschuhen aus dem Auto steige, das ich direkt vor dem Eingang abgestellt habe. Stattdessen habe ich dicke Stiefel an und Wäscheklammern an den Hosenbeinen, damit sie nicht in die Speichen geraten. Gestern bin ich den Weg schon einmal gefahren, um zu sehen, wie lange ich brauche und wo genau das Büro liegt. Darüber bin ich heute froh, denn wegen des Schneegestöbers dauert alles länger. Ich wäre in Stress geraten, wenn ich mich erst heute hätte orientieren müssen.
    Nachdem ich mein Rad geparkt habe, muss ich mich erst einmal abklopfen und mich von den Wäscheklammern und der Extralage Schal und Mütze befreien, damit ich überhaupt erkennbar bin. Weitgehend in Ordnung gebracht, spreche ich bei der Sekretärin vor. Sie macht einen sehr netten Eindruck. Das freut mich. Es spricht für die Stelle. Sie führt mich in einen Besprechungsraum, der etwas chaotisch aussieht. Auf dem Boden stapeln sich Broschüren, auch auf den Fensterbrettern steht Krimskrams. Es ist unendlich heiß. Ich reiße das Fenster auf. Ich will abkühlen, bevor mein möglicher neuer Vorgesetzter kommt. Auf keinen Fall will ich ihm eine schwitzige Hand entgegenstrecken müssen.
    Da steckt die Sekretärin den Kopf zur Tür herein. »Setzen Sie sich doch schon mal, Frau Berger. Herr Schrader kommt gleich«, sagt sie.
    Ich setze mich nach einigem Zögern tatsächlich, stehe aber gleich wieder auf. Mir ist jetzt nicht nach Sitzen zumute. Ich bin zu unruhig und ich möchte auch nicht, dass mich Herr Schrader sitzend antrifft. Ich bilde mir ein, der Eindruck wäre besser, energischer, wenn ich stehe und ihm gleich zur Begrüßung entgegengehen kann.
    Aber es kommt erst einer seiner Mitarbeiter. Ich erkenne ihn sofort, weil ich sein Foto gestern auf der Webseite des Unternehmens gesehen habe. Er trägt keinen Anzug und ich überlege kurz, ob ich overdressed bin, verwerfe aber den Gedanken gleich wieder und beschließe: Als Bewerberin bin ich genau richtig angezogen.
    Wir setzen uns gegenüber, einen kurzen Moment herrscht ein seltsames Schweigen. Ich versuche es

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