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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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es besonders geschmackvoll, wie man kleine Plätze mit Bäumen und großen Pflanzen dekoriert und Bänke aufgestellt hatte. Wer Lust hatte, konnte sich dort niederlassen und ein ganzes Schaufenster voller Laufschuhe bewundern oder, wem das mehr lag, Zweiräder anschauen. Edie aber setzte sich gern auf die Bank neben dem Troy Music Center und wartete, bis Eric Feierabend hatte.
    Edie ging an einem Geschäft für Kinderkleidung vorbei, dessen Schaufenster mit kleinen Parkas vollgestopft war, als ob eine Invasion von Zwergeskimos bevorstünde. Im Lampengeschäft daneben hatte man einen Hightech-Lüster aus Kupferrohren und Aluminiumkegeln konstruiert, der wie ein futuristisches Elchgeweih aussah.
    Sie ging zu Troy Music rein, doch Eric war in den hinteren Räumen mit der Bestandsaufnahme beschäftigt. Auch recht, dachte sie, denn er hatte ihr eingeschärft, ihn im Job nicht zu stören. Erics Chef, Mr. Troy, stand hinter dem Tresen und stimmte eine Gitarre für einen dämlich dreinschauenden Jungen. Edie kramte ein wenig in den Notenblättern und las die Texte verschiedener Songs von Whitney Houston und Celine Dion. Die waren berühmt, kein Wunder bei den makellosen Zähnen und Titten. Aber lass die mal einen Ekzemschub kriegen, wie würden sie dann dastehen? Berühmtheit war eine Frage der richtigen Gene, genauso wie Liebe, und Edie hatte nichts dergleichen von dem Unbekannten geerbt, der ihr Vater war, und auch nicht von ihrer Mutter, die sechs Jahre später Algonquin Bay den Rücken gekehrt und seither nichts mehr von sich hatte hören lassen.
    Großmutter, die alte Ziege, hatte sie aufgezogen, aber ihr immer nur das Gefühl gegeben, hässlich und dumm zu sein. Nur einen kurzen, wunderbaren Augenblick lang hatte sie sich eingebildet, attraktiv zu sein: Das war, als Eric anfing, sich für sie zu interessieren. Eine Zeit lang hatte sie sogar sexuelle Phantasien überihn, doch in dieser Hinsicht wie in so vielen anderen übernahm sie ganz selbstverständlich Erics Ansichten. »Edie«, belehrte er sie, »du bist für etwas Wichtigeres gemacht als Sex. Wir beide, du und ich, wir sind dazu ausersehen, die Grenzen des Menschenmöglichen hinauszuschieben.«
    Edie lief über den winterkalten Parkplatz zu einem Coffee Shop, wo sie sich zwei Donuts mit Schokoüberzug und eine große Tasse Kaffee gönnte. In Algonquin Bay gab es sage und schreibe siebzehn Läden, wo man dieses Schmalzgebäck kaufen konnte. Edie wusste es genau, denn an einem besonders öden Tag hatte sie es einmal auf sich genommen, alle zu zählen, und hatte dazu die ganze Stadt abgeklappert. Die beiden Donuts taten ihr wirklich gut, und als sie sich wieder auf den Weg zurück zur Arbeit machte, fühlte sie sich viel ruhiger.
    Ein paar Minuten später kam Margo atemlos hereingestürmt und verstaute Handtasche und Mantel unter dem Tresen zwischen den beiden Registrierkassen. Edie würdigte sie nicht eines Blickes.
    Manchmal gelang es Edie, sich bei der Arbeit in eine Art Trance zu versetzen, in der die Zeit wie im Flug verging. Sah sie dann zur Uhr hoch, stand der Zeiger auf der Sieben, und sie wunderte sich wieder, wie rasch doch der Nachmittag vergangen war. Doch heute schleppten sich die Stunden dahin. Immer wieder erinnerte sie sich an das, was Margo über sie gesagt hatte, und an das widerliche Gelächter. Dagegen dachte sie kaum an den gefesselten Jungen im Keller oder an sein verletztes Bein. Aber als Quereshi sie bat, die Arzneimittel im Auge zu behalten, während er auf die Toilette ging, entwendete sie schnell fünfzig Valiumtabletten und ließ sie in einem Plastikröhrchen verschwinden, das sie in der Tasche hatte.
    Als Quereshi von der Toilette zurückkam, überraschte sie ihn mit der Frage: »Was würden Sie jemandem geben, von dem Sie möchten, dass er ganz still liegt, aber dennoch bei Bewusstsein bleibt?«
    Mr. Quereshis sanftes braunes Gesicht wurde runzlig wie eine Walnuss. »Sie meinen, um einen chirurgischen Eingriff an ihm durchzuführen, ist es das?«
    »Ja. Der Betreffende dürfte sich nicht bewegen, egal was man mit ihm macht.«
    »Es gibt natürlich solche Betäubungsmittel, keine Frage, aber so etwas haben wir nicht am Lager. Warum fragen Sie, Miss Soames? Wollen Sie irgendeine arme Seele operieren?«
    »Ich möchte es eben wissen, das ist alles. Ich fange vielleicht ein Pharmaziestudium an, ich spare darauf.«
    »Ich habe in Kalkutta Medizin studiert. Doch mein Abschluss wurde hierzulande nicht anerkannt, deswegen habe ich Pharmazie

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