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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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auf dem Stuhl. Die Bettdecke war ganz herabgerutscht, so dass er völlig nackt war. Am ganzen Körper hatte er eine Gänsehaut.
    Er hob den Kopf, als Edie hereinkam. Die Augen über dem geknebelten Mund waren gerötet und sahen sie flehend an.
    Edie rümpfte die Nase. »Konntest du denn nicht warten? Du Schwein.« Sie hatten ihm seit wenigstens vierundzwanzig Stunden nichts zu essen und zu trinken gegeben. Dass er dennoch einem dringenden Bedürfnis nachgegeben und in den Eimer unter dem Loch in der Sitzfläche gemacht hatte, empfand sie als Provokation.
    Sie warf einen Blick auf die Schusswunde an seinem Bein. Es war nur ein kleines Loch mit leichten Verbrennungsspuren drum herum, nichts Ernstes.
    Der Gefangene versuchte sich unter Ächzen und Stöhnen verständlich zu machen. Edie saß auf dem Bett und beobachtete ihn. »Wie bitte? Ich kann dich nicht verstehen.« Die geröteten Augenweiteten sich noch mehr, das Stöhnen wurde lauter. »Was war das? Sprich doch lauter.«
    Was er ihr auch mitzuteilen versuchte, er musste es geschrien haben. Es kam als dumpfes Dröhnen durch das Klebeband. »Schluss jetzt mit dem Krach, sonst bohre ich dir einen Schraubenzieher in die Schusswunde. Soll ich?«
    Der Gefangene schüttelte auf übertriebene, geradezu komische Weise den Kopf.
    Sie kauerte sich vor ihm nieder. »Weißt du, warum du überhaupt noch am Leben bist?«, fragte sie leise. »Ich sage es dir. Du bist nur deshalb noch am Leben, weil wir einen Ort suchen, wo keiner deine Schreie hören wird.«
    Plötzlich fiel eine heiße Träne auf Edies Handgelenk. Angewidert sprang sie zurück. »Du Wichser«, zischte sie, spuckte und traf ihn mitten ins Gesicht.
    Der Gefangene senkte den Kopf, um ihr zu entgehen.
    Edie musste sich wieder vor ihn niederkauern, um ihn zu treffen. Wieder und wieder spuckte sie ihn an – mit Bedacht, in ihr war keine Wut –, und nach einer Weile gab es der Gefangene auf, sich zu entziehen. Edie spuckte so lange, bis sein ganzes Gesicht besudelt war. Sie hörte erst auf, als sie überhaupt keine Spucke mehr hatte.

42
    C ardinal führte Freddie zurück zu seiner Zelle und bat ihn, hineinzugehen. »Mit den Morden habe ich nichts zu tun, und das wissen Sie. Sie haben nicht die Spur eines Beweises.«
    Zum zehnten Mal wiederholte Cardinal, dass kein Mensch Freddie wegen der Morde im Verdacht hatte, doch Freddie war ein stadtbekannter Alkoholiker und Junkie – er wohnte draußen in Corbeil, wenn er nicht gerade im Gefängnis war –, für den eine Mordanklage zum Aufregendsten gehörte, was ihm je in seinem Leben passiert war.
    »Ich hab ein Alibi. Ich kann beweisen, wo ich war, und das wissen Sie. Mann, ich schicke Ihnen Bob Brackett auf den Hals. Nehmen Sie sich in Acht.«
    Selbstverständlich konnte Freddie beweisen, wo er zur Mordzeit gewesen war: Siebenundzwanzig Insassen des Bezirksgefängnisses, von den Wächtern ganz zu schweigen, konnten bezeugen, dass Freddie die letzten zwei Jahre in der Vollzugsanstalt verbracht hatte. Cardinal hatte das nach Freddies Zusammenbruch auf dem Highway 11 binnen zehn Minuten herausgefunden. Er schloss die Zellentür.
    »Sie können mich wegen Mord und Totschlag oder weiß der Teufel was anklagen, aber Sie kriegen mich nicht dran, Cardinal. Ich hab niemanden umgebracht.«
    »Freddie, ich weiß, Ihnen fällt es schwer, das anzuerkennen, aber Sie stehen lediglich unter Anklage wegen Autodiebstahl und Trunkenheit am Steuer.«
    Trotz eindeutiger, aber unnötiger Unschuldsbeweise blieb Freddie in dem einen Punkt, der Cardinal interessierte, sehr vage: Hatte er irgendjemanden gesehen, der den ChevyVan auf dem Parkplatz neben der Chinook Tavern abgestellt hatte? Cardinal hatte schon seine Leute dorthin geschickt, um das Personal des Restaurants zu befragen, ob irgendjemand etwas im Zusammenhangmit dem Lieferwagen beobachtet hatte. Bei allem, was nach Freddies viertem Stiefel Bier geschehen war, ließ ihn sein Gedächtnis im Stich.
    Fünf Minuten später, auf dem Weg zur Garage, gab Cardinal die dürftige Erkenntnis an Delorme weiter. »Ist das alles?«, fragte sie knapp.
    »Der Typ trinkt sich einen an und bekommt plötzlich Lust, eine Sause nach Toronto zu machen – mehr war aus ihm nicht herauszubekommen.«
    Delorme war in den vergangenen Tagen sehr zugeknöpft gewesen, und Cardinal hätte gern gewusst, woran das wohl lag. Vielleicht hatte sie schon Beweise für sein eigenes Vergehen gefunden; sie mochte auf eine Gelegenheit warten, die Falle zuschnappen zu

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