Gefrorene Seelen
den Keller zu gehen; es kam ihr vor, als müsste sie ein Katzenklo säubern. Eric würde das nie tun; er beklagte sich so lange, bis Edie es schließlich machte. Und sie fühlte sich nicht wohl, von innen ausgehöhlt, wie immer, wenn ein neuer Ekzemschub im Anmarsch war. Es kroch von unterhalb des Kiefers über ihr Gesicht nach oben, die Haut wurde rot, rissig und nässte. Als sie aus dem Supermarkt kam, waren ein paar Halbstarke an den Straßenrand gefahren, hatten die Scheibe heruntergekurbelt und ihr gegenüber Kläfflaute von sich gegeben.
Gerade als sie wieder aus dem kleinen Toilettenraum herauskam, erläuterte Eric Keith seine Gedanken. Eric schien Vergnügen daran zu finden, vor dem Gefangenen seine Pläne auszubreiten, doch Edie machte das nervös.
»Wir wollen uns nämlich nicht mehr um die Blutflecke sorgenmüssen. Irgendwann erreicht man den Punkt, wo man das Gefühl hat, nicht mehr selbst für Sauberkeit sorgen zu müssen, falls du verstehst, was ich meine.«
Der Gefangene war durch die Fesselung zu Schweigen und Reglosigkeit verurteilt und antwortete nicht; selbst den flehenden Blick setzte er nicht mehr auf.
»Ich habe jetzt den richtigen Ort gefunden, um dich umzubringen, Gefangener. Ein ehemaliges Pumpenhaus, die Tür verrammelt, die Fenster zugenagelt und alles schön eingestaubt. Was glaubst du wohl, wie oft da Leute hinkommen? Einmal, zweimal alle fünf Jahre?« Eric näherte sein Gesicht bis auf eine Handbreit dem des Gefangenen, als wollte er ihn küssen. »Ich rede mit dir, Süßer.«
Die geröteten Augen wandten sich ab, worauf Eric den Gefangenen am Kinn fasste und ihn zwang, ihm in die Augen zu sehen.
Edie hielt den Notizblock hoch. »Du wolltest doch die Liste anlegen, Eric.« Sie dachte, er würde ihn auf der Stelle umbringen, wenn sie nicht bald zusammen nach oben gingen.
»Edie und ich haben erwogen, wieder in den Bergwerksschacht zu gehen. Kein Mensch würde uns zutrauen, noch einmal an denselben Ort zurückzukehren.«
»Aufs Eis kriegt mich keiner mehr«, sagte Edie. »Seit drei Tagen sind die Temperaturen über dem Gefrierpunkt.« Sie zeigte auf den Notizblock. »Brauchen wir nicht irgendeine Wanne, um das Blut aufzufangen?«
»Ich schleppe doch keine Wanne mit mir herum, Edie. Wir gehen nur deshalb zu diesem Scheißpumpenhaus, weil wir uns dort wegen der Sauerei keine Gedanken machen müssen. Aber ein Tisch wäre nicht schlecht. Etwas in angenehmer Arbeitshöhe. Stimmt’s, Gefangener? Ja, stimmt. Gefangener Nummer null-null-null ist ganz unserer Meinung.« Eric schlug den
Algonquin Lode
auf und breitete ihn auf dem Bett aus, so dass der Gefangene nicht umhinkonnte, sein Bild als Highschool-Absolvent zu sehen, unddarunter die Schlagzeile: »Suche nach Jugendlichem aus Toronto weiterhin erfolglos«.
»Vielleicht einen Sack Kalk«, schlug Edie vor. »Um seine Gesichtszüge unkenntlich zu machen, nachdem wir ihn umgebracht haben. Vielleicht sogar, bevor wir ihn umbringen.«
»Edie, du hast wirklich eine originelle Sicht der Dinge. Magst du das nicht auch an ihr, Gefangener? Ja, der Jugendliche aus Toronto findet das auch. Edie, du hast eine sehr interessante Sicht der Dinge.«
47
K erzenduft, Bohnerwachs und Weihrauch. Der Geruch in Kirchen änderte sich nie. Cardinal saß in einer der hinteren Bänke und überließ sich seinen Erinnerungen. Dort vorn war der Altar, an dem er als Junge in Chorrock und Soutane ministriert hatte. Seitlich standen die Beichtstühle, wo er einige, aber bei weitem nicht alle seine sexuellen Eskapaden gebeichtet hatte. Da war das Podest, auf dem seine Mutter aufgebahrt gelegen hatte. Schließlich das Taufbecken, in dem Kelly getauft worden war, eine puppengesichtige Fee, die mit ihrem Geheul alle entnervt hatte, vor allem den jungen Priester.
Cardinal hatte seinen Glauben irgendwann verloren, als er Anfang zwanzig war, und er hatte ihn seither nicht wiedergefunden. Solange Kelly noch klein war, hatte er regelmäßig die Messe besucht, weil Catherine es so wollte; und anders als zum Beispiel McLeod, der nur Verachtung für Rom und den Klerus kannte, hatte Cardinal keine ausgeprägt feindlichen Gefühle gegenüber der Kirche. Allerdings hegte er auch keine ausgesprochene Sympathie. Daher war er sich nicht sicher, warum er an diesem Donnerstagnachmittag in die Hauptkirche getreten war. Eben noch hatte er bei D’Anunzio einen Hamburger gegessen, und nun saß er in einer Kirchenbank.
War es Dankbarkeit? Gewiss, er war froh, dass Delormes
Weitere Kostenlose Bücher