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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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machen Sie sich diesmal nicht sofort aus dem Staub«, fuhr Dyson fort. »Hinterlassen Sie irgendeine Spur, und am besten auch gleich ein paar von Ihren Leuten. Sie haben neun Leben, das habe ich gemerkt, aber jetzt setzen Sie Ihr zehntes ein. Bei mir ist es genauso, und wenn man mich drankriegt, dann erwischt es alle anderen auch.«
    Musgrave sprach ins Funkgerät. »Jetzt sind wir dran. Eingänge sperren.« Und zu Delorme gewandt: »Schnappen wir ihn uns.«
    Musgrave kam durch den vorderen, Delorme durch den hinteren Eingang, jeder von zwei Mounties begleitet. Musgrave verhaftete Corbett, und Delorme nahm sich Dyson vor. »Wirklich«, berichtete Delorme später, »es ging sehr geschäftsmäßig zu. Corbett leistete keine Gegenwehr, fluchte nur ein bisschen.«
    Vielleicht hatte Dyson dieses Ende sogar erwartet. Er kreuzte die Arme und legte den Kopf auf den Tresen, ganz in der klassischen Pose des melancholischen Trinkers, der sein Gesicht verbirgt.
    »Detective Sergeant, würden Sie bitte die Hände auf den Rücken legen?« Delorme brauchte ihre Dienstwaffe gar nicht zu ziehen; die Mounties übernahmen das für sie. »Detective Sergeant«, sagte sie lauter, »ich muss Sie bitten, die Hände auf den Rücken zu legen. Ich muss Ihnen Handschellen anlegen.«
    Dyson richtete sich auf, das Gesicht kreideweiß, und legte die Hände auf den Rücken. »Wenn ich das überhaupt noch sagen darf, Lise, es tut mir leid.«
    »Ich verhafte Sie wegen Pflichtverletzung, Verfehlung im Amt und Annahme von Bestechungsgeldern. Auch mir tut es leid. Die Staatsanwaltschaft hat mir gesagt, dass noch weitere Anklagen folgen werden.« Ihre Stimme klang wie die einer gut ausgebildeten, sachlich-professionellen Polizistin. Aber in Wirklichkeit dachte sie gar nicht an die Staatsanwaltschaft oder weitere Anklagen, ja nicht einmal an Adonis Dyson. Während dieser lehrbuchmäßigen Verhaftung musste sie immer an das linkische Mädchen mit der Zahnspange denken, das ihr vor Dysons Haus begegnet war, und an die geisterhafte Gestalt, die es fortgerufen hatte.

45
    M orgens um halb vier hatte Cardinal die Fotos auf dem Regal über der Stereoanlage befestigt, auf der er eine Suite von Bach spielte. Er selbst war kein ausgesprochener Liebhaber klassischer Musik, aber Catherine war es, und Bach liebte sie über alles. Das Haus wirkte nicht mehr so einsam, sobald er die Lieblingsmusik seiner Frau hörte. Wenn er jetzt ins Wohnzimmer ginge, stellte er sich vor, könnte dort Catherine auf dem Sofa sitzen und einen ihrer Detektivromane lesen.
    Katie Pine, Billy LaBelle und Todd Curry blickten von den Fotos auf Cardinal hinab wie eine jugendliche Geschworenenbank, die ihn für schuldig befunden hatte. Keith London – der vielleicht noch am Leben war – hatte sich der Stimme enthalten, doch Cardinal konnte beinahe den Hilfeschrei und die Klage über seine Versäumnisse hören.
    Zwischen allen vier Opfern musste es irgendeine Verbindung geben. Cardinal glaubte nicht, dass ein Mörder seine Opfer allein nach dem Zufallsprinzip aussuchte. Irgendein geheimes Band, und mochte es auch noch so dünn sein, musste die Opfer miteinander verbinden – etwas, das einem späteren Betrachter sogleich ins Auge springen und das nicht gesehen zu haben ihm Anlass für Vorwürfe geben würde. Irgendwo versteckte es sich: in den Akten, in den Fotos vom Tatort, in den gerichtsmedizinischen Berichten. Vielleicht war es nur ein einzelnes Wort oder ein Satz, dessen Bedeutsamkeit ihm bisher entgangen war.
    Ein Auto kam, das Motorengeräusch durch die Schneewehen gedämpft, die Madonna Road herauf. Wenig später waren Schritte auf den Stufen vor der Haustür zu hören.
    »Was machen Sie denn hier?«
    Mit glitzernden Regentropfen im Haar und rosa Wangen stand Lise Delorme vor der Haustür. »Ich weiß, ich komme zu einer unmöglichen Zeit«, sagte sie mit erregter Stimme. »Aber ich war aufdem Weg nach Hause und sah im Vorbeifahren noch Licht bei Ihnen brennen, da wollte ich Ihnen gleich mitteilen, was gerade passiert ist.«
    »Auf Ihrem Weg nach Hause sind Sie hier vorbeigefahren?« Die Madonna Road lag fast fünf Kilometer abseits ihres normalen Nachhausewegs. Cardinal hielt ihr die Tür auf.
    »Cardinal, Sie werden es nicht für möglich halten. Sie kennen doch den Fall Corbett?«
    *
    Delorme saß auf der Sofakante und erzählte Cardinal gestenreich, wie alles gekommen war, von Musgraves erstem Auftritt bis zu dem Augenblick, als Dyson den Kopf auf den Tresen legte wie ein Mann, den

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