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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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einiges langsamer arbeitet als meines.«
    Kiki sog hörbar Luft durch die flachen Nasenlöcher ein, während die Braue des einen Auges auf halbmast ging. »Rick Bouchard hat Ihretwegen fünfzehn Jahre bekommen. Zehn Jahre hat er mittlerweile abgesessen. Er könnte jeden Tag freikommen.«
    »Meinen Sie? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Rick Punkte für gute Führung sammelt.«
    »Er könnte jeden Tag freikommen. Aber wenn er freikommt, dann will er auch sein Geld wiederhaben. Betrachten Sie das mal von seinem Standpunkt aus. Er hat fünfzehn Jahre gesessen für ein paar Kilo und fünfhundert Riesen. Er verliert fünfzehn Jahre, die Kilos und die fünfhundert Riesen. Doch das juckt ihn nicht.«
    »Ja, ich habe von Bouchard gehört. Ein sehr ausgeglichener Mensch.«
    »Wirklich, das juckt ihn nicht. Schließlich haben Sie nur Ihre Arbeit gemacht. Aber etwas anderes juckt ihn. Rick hatte siebenhunderttausend, sagt er. Nicht fünf – sieben. Und deshalb will er die zweihunderttausend zurückhaben. Das ist doch sehr vernünftig.Rick meint, dass es nicht zu Ihrem Job gehörte, das Geld mitgehen zu lassen.«
    »Rick meint, Rick sagt. Was ich an Ihnen bewundere, Kiki, ist Ihr unabhängiger Geist. Sie gehen immer Ihren eigenen Weg, ein richtiger Einzelgänger sind Sie.«
    Das eine sehende Auge, das gerötete, schaute ihn an. Ob traurig oder nicht, war schwer zu entscheiden. Ein Auge ist schwerer zu deuten als zwei. Kiki rieb sich die Nase mit dem Buchstaben L und sog wieder geräuschvoll die Luft ein. »Sie haben mir eine gute Geschichte erzählt. Nun werde ich Ihnen auch eine erzählen.«
    »Ist es die Geschichte, wie Sie Ihr Auge verloren haben?«
    »Nein. Es geht dabei um einen Knacki aus meinem Block. Nicht aus Ricks Block, aus meinem, verstehen Sie? Man musste ihn aus Ricks Block rausholen, weil – ja, weil er das war, was Sie einen unabhängigen Geist nennen. Ein echter Einzelgänger. Na, jedenfalls wird er in meinen Block verlegt. Und stellt sich vor, er wäre zu Hause, denn sofort versucht er, mit den Großen in einer Liga zu spielen. Was man einfach nicht tut. Man arbeitet sich langsam hoch. Es kommt ihm nicht in den Sinn, zu mir zu kommen und mich um Rat zu fragen, wie er mit Rick wieder ins Reine kommen könnte. Ich hätte ihm helfen können. Bei ihm ging es gar nicht um so viel Geld. Nicht wie bei Ihnen. Aber er war so ein unabhängiger Geist, wie Sie sagen, ein Einzelgänger. Also ist er nicht zu mir gekommen. Und anstatt sich mit Rick auszusöhnen, anstatt den Rest seiner Zeit in aller Gemütlichkeit abzureißen, raten Sie mal, was mit ihm geschah?«
    »Keine Ahnung, Kiki. Gefängniskoller?«
    »Koller? Wie kommen Sie darauf?«
    »Entschuldigung. Sagen Sie es mir einfach. Was geschah mit ihm?«
    »Ich glaube, sein Gewissen hat ihm am Ende keine Ruhe gelassen. Denn eines Abends legte er sich ins Bett und ging spontan in Flammen auf.« Das gerötete Auge schaute Cardinal von oben nach unten an. Cardinal hatte das Gefühl, von einer Auster gemustertzu werden. »Ich sag Ihnen«, fuhr Kiki fort, »ich habe noch nie solche Schreie gehört. Im Knast gibt es eine Menge Metall. Die Akustik dort ist nichts für empfindliche Ohren. Ich war echt erschrocken, ihn so schreien zu hören. Und auch der Geruch von verbranntem Menschenfleisch, ja, der war nicht gerade angenehm. Aber auch hier gibt es ein Geheimnis. Wie bei eurer Muttergottes. Vielleicht war es auch ein Wunder. Der Typ ging mir nichts, dir nichts in Flammen auf. Kein Mensch hat je herausgekriegt, wie das passieren konnte.«
    Cardinal blickte hinauf zur Muttergottes und sprach, ohne nachzudenken, im Geiste ein kurzes Gebet. Hilf mir, das Richtige zu tun.
    »Und Sie bleiben hier einfach sitzen und sagen nichts? Was ist denn los? Hat Ihnen meine Geschichte nicht gefallen?«
    »Doch, doch.« Cardinal neigte sich zu dem flachen, runden Gesicht mit der Augenklappe hinüber. »Für mich ist es nur ein bisschen sonderbar, Kiki. Ich habe nämlich vorher noch nie mit einem echten Zyklopen geredet.«
    »Haha.« Kiki verlagerte sein Gewicht, so dass die Bank unter ihm knarrte.
    Cardinal erhob sich und überließ sein Gegenüber der Betrachtung seiner Knöchel – erst »Leck«, dann »mich«. Er war schon am Taufbecken angekommen, als Kiki ihm nachrief: »Komisch, Cardinal. Ich werde lange darüber lachen. Vielleicht noch Jahre später? Sie sind dann tot. Und ich werde lachen. Sie sind so ein unabhängiger Geist.«
    Cardinal öffnete die schwere Eichentür und blinzelte in

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