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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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den Händen, und wenn ein Schuldner der Aufmunterung oder ein Vergesslicher der Ermahnung bedurfte, half Kiki gern mit ein bisschen Druck an der rechten Stelle nach. Tatsächlich, so erinnerte sich Cardinal jetzt, hatte Kiki B. bei einer solchen Gelegenheit seinen Chef und geistigen Mentor Rick Bouchard kennen gelernt. Bei einem Routineauftrag für Baldassaro senior hatte er einem von Bouchards Männern zu einem Streckverband verholfen. Bouchard erschien daraufhin vor Kikis Tür und machte ihm seine Position mit dem Brecheisen deutlich. Seither waren sie Freunde.
    »Das Ding da hat man bestimmt mit einem Kran hochgehievt.« Kikis Aufmerksamkeit galt erneut dem hoch oben schwebenden Bild der Muttergottes.
    »Dann kennen Sie also die Geschichte noch nicht?« Cardinal knöpfte seinen Mantel auf. War es Angst oder nur die gut funktionierende Heizung, auf jeden Fall lief ihm der Schweiß kalt den Rücken hinunter. »Am Abend vor dem Tag, an dem unsere Jungfrau Maria ihren Platz da oben einnehmen sollte, kommt der Kranführer auf dem Weg hierher in Höhe von Burk’s Falls von der Fahrbahn ab und bricht sich den Arm. Das war am Tag vor Ostern und dürfte gut dreißig Jahre her sein. Die Leute sind verzweifelt, denn am nächsten Tag ist Ostern, und der Bischof kommt eigens den langen Weg von Sault Sainte Marie herüber, um die Messe zu zelebrieren. Ein großes Ereignis, aber es sieht ganz so aus, als ob die Muttergottes den Tag in einer Kiste verbringen soll. So schwärmt man in alle Richtungen aus auf der Suche nach Kranführern, aber die wachsen hier bekanntlich nicht auf den Bäumen. Am Ende treibt man doch einen auf. Er ist einverstanden, am anderen Tag um fünf Uhr früh das Medaillon an den vorgesehenen Platz zu hängen.«
    »Das schafft er doch locker. Fünf Uhr morgens, da hat er reichlich Zeit.«
    »Der Punkt ist, dass er gar nicht dazu kam.«
    »Ach so. Noch ein Unfall.«
    »Kein Unfall. Am nächsten Tag kommt er pünktlich um fünf Uhr früh in die Kirche. Alle Übrigen sind auch schon da, alle auf Knien in der ersten Reihe, und es sind nicht alles Katholiken, beileibe nicht. Dennoch knien sie alle in der ersten Reihe und sperren das Maul auf. Da schaut auch der neue Kranführer nach oben und sieht den Grund für ihre Verblüffung.«
    Cardinal machte eine Kunstpause.
    »Sie hing schon oben.«
    Cardinal nickte zustimmend. »Ja, sie hing schon oben. Wie? Wann? Das weiß keiner. Offenkundig waren dazu mehrere Naturgesetze außer Kraft gesetzt worden – zuallererst die Schwerkraft.«
    »Irgendjemand muss nachts gekommen sein und hat sie da hochgehievt.«
    »Klar, das dachten alle. Aber bis heute weiß man nicht, wer es gewesen sein könnte. Die Kirche war nachts abgeschlossen. Der Kran stand draußen, ohne Zündschlüssel, denn den hatte der Polier. Das war schon unheimlich. Man hat die Sache nicht an die große Glocke hängen wollen, aber … Vielleicht sollte ich es gar nicht weitererzählen.«
    »Was nicht weitererzählen? Sie können doch keine Spukgeschichte anfangen und dann mittendrin aufhören.«
    »Gut, es ist ja schon eine ganze Weile her, da kann ich es wohl doch erzählen. Also, der Vatikan schickte einen Emissär hierher, einen Priester, der auch Wissenschaftler war. Sie mussten das wohl tun, ein Gebot der Höflichkeit auch in dieser Branche.«
    »Und? Hat er etwas herausgekriegt?«
    »Nein, nichts. Die Sache ist und bleibt ein Geheimnis. Deswegen spricht man hier auch von Unserer Lieben Frau vom Unergründlichen Geheimnis.«
    »Stimmt. Das habe ich ganz vergessen. Cardinal, das ist eine gute Geschichte. Nur glaube ich, dass Sie sie erfunden haben.«
    »Warum sollte ich das tun? Ich sitze hier in der Kirche, dawerde ich doch keine Gotteslästerung begehen. Wer weiß, was da passieren könnte?«
    »Die Geschichte ist echt gut. Sie könnten sie Peter Gzowski erzählen. Der kann so gut zuhören. Deshalb hat er so viel Erfolg im Fernsehen.«
    »Die Show läuft schon lange nicht mehr, Kiki. Das bekommt man im Gefängnis nicht mit. Kennen Sie eigentlich den juristischen Begriff der Drohung?«
    »Es kränkt mich, dass Sie so etwas überhaupt von mir denken können. Ich würde Sie nie bedrohen. Ich habe Sie immer gemocht. Ich mochte Sie bis zu dem Augenblick, da Sie mir Handschellen anlegten. Ich wollte damit lediglich sagen, dass ich an Ihrer Stelle nervös würde, wenn ich neben einem Kerl säße, der mir Arme und Beine ausreißen und sie vor mich hinlegen könnte.«
    »Sie vergessen, Kiki, dass Ihr Gehirn um

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