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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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arbeiten hatte ihm Spaß gemacht, er mochte ihre flotte, professionelle Art. Aber seine Liebe galt dem Norden: der Reinheit, den Felsengebirgen und Wäldern, der tiefen Klarheit des Himmels. Vor allem aber schätzte er es, an dem Ort zu arbeiten, an dem er aufgewachsen war und der ihn geprägt hatte. Den Ort zu schützen, an dem er als Kind Geborgenheit erfahren hatte. Toronto hätte ihm mehr Karrierechancen geboten, vom Geld gar nicht zu reden, aber heimisch wäre er dort nie geworden.
    Heimat. Plötzlich wünschte sich Cardinal, Catherine wäre hier an seiner Seite. Vor diesem Kummer war er nie sicher. Stundenlang dachte er nur an seinen Fall, und plötzlich spürte er einen Druck in der Brust, einen schmerzenden Hunger. Er sehnte sichnach Catherine, auch nach einer kranken, vom Wahn verfolgten Catherine.
    Die Nacht brach herein, und die dicht fallenden Schneeflocken legten sich wie Spitzengardinen über den Wagen.
    *
    Auch am folgenden Tag schneite es noch, als Cardinal und Delorme in Dysons Büro saßen und zuhörten, was ihr Vorgesetzter aus dem Täterprofil der RCMP vorlas. Wie es Dyson geschafft hatte, die Polizeidirektion in Ottawa zu einer so raschen Reaktion zu bewegen, war Cardinal ein Rätsel. Die Faxleitungen mussten geglüht haben. Und nun – aber das sah Dyson so ähnlich, dass es schon an eine Parodie seiner selbst grenzte – zerpflückte er den Text, den zu bekommen ihn so viel Mühe gekostet hatte.
    »Die Auswertung der polizeilichen Fotografien ist durch die Tatsache eingeschränkt, dass es sich nur in dem einen Fall um den Tatort handelt. Der Bergwerksschacht auf der Insel ist lediglich der Fundort der Leiche.
Wirklich, das ist einfach Spitze.« Dyson sprach zu dem Schreiben, das er in der Hand hielt. »Jetzt verrate mir doch bitte etwas, was ich noch nicht weiß.«
    Ohne aufzuschauen, blätterte er in dem mehrere Seiten umfassenden Text und pflückte mutwillig, mal hier, mal da, einen Satz heraus.
»Verschiedene Todesursachen … Ersticken … stumpfes Trauma …
Blabla und nochmals Blabla.
Der Junge wurde im Sitzen angegriffen und war dem Angreifer zugewandt, was den Schluss zulässt, dass er den Mörder kannte und ihm ein gewisses Maß an Vertrauen schenkte
… Schön, das wissen wir alles selbst.«
    »Eines verstehe ich nicht«, sagte Cardinal. »Wieso haben Sie sich so früh an die Experten der RCMP gewandt? Ich hätte damit gewartet, bis wir ihnen mehr Informationen für das Täterprofil hätten liefern können.«
    »Und wann wäre das gewesen?«
    »Sie hätten mich jedenfalls in Kenntnis setzen können. Wir allewissen doch, dass die Mounties eine Begabung dafür haben, einen Fall schneller kaputtzumachen, als sie auf ihre Pferde steigen. Sehen Sie sich doch nur mal den Fall Kyle Corbett an. Ich will jetzt gar nicht darüber spekulieren, was da schiefgelaufen ist. Aber ihre Experten für Täterprofile sind Klasse, und Grace Legault, die man auch als Sprachrohr der öffentlichen Meinung bezeichnen könnte, hat mich erst gestern Abend angerufen und gefragt, wann wir die Experten der Bundespolizei um Hilfe bitten. Ich sagte ihr, bis jetzt bestehe noch keine Notwendigkeit. Und nun stehe ich da wie ein Idiot.«
    »Der Chef hatte die Idee, und ich muss sagen, es war eine gute Idee. Sie sollten ihm dankbar sein. Haben Sie schon mal von einem Präventivschlag gehört? Damit halten wir uns die Presseund Fernsehleute mit ihrem Geschrei nach der Bundespolizei vom Leib. Und wir sammeln Punkte bei den Rotröcken, was immer von Vorteil ist.«
    »Aber beim jetzigen Ermittlungsstand gibt es nichts, was nicht auch die Kollegen in Toronto für uns erledigen könnten …«
    Doch Dyson hörte John Cardinal schon nicht mehr zu und fuhr stattdessen mit seinem Verriss fort.
»Das Mädchen wurde von einem belebten Rummelplatz entführt … keine Anzeichen für einen Kampf … auch das weist auf eine gewisse Vertrautheit mit dem Täter hin …«
    »Kinder, selbst noch Teenager, haben Zutrauen, wenn sie auf die richtige Weise angesprochen werden«, gab Delorme zu bedenken. »Erinnern Sie sich nur an den Sittlichkeitsverbrecher vor ein paar Jahren. Der hat sich als Krankenhausangestellter ausgegeben und den Kindern gesagt, ihre Mütter seien in die Notaufnahme eingeliefert worden.«
    »Ich wundere mich nur, dass die Mounties so was als Service bezeichnen.« Dyson wedelte verächtlich mit den Blättern.
    »Ein Leichenfundort und dreißig Sekunden mit ein paar Fotos«, sagte Cardinal. »Kein Experte für Täterprofile

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