Gefrorene Seelen
Atem schöpfte. »Erstens, das Band ist mit einem ziemlich guten Aufnahmegerät und einem ziemlich guten Mikrophon gemacht worden.«
»Das deutet wieder auf einen Profi.«
Fortier schüttelte energisch den Kopf. »Keineswegs. Dass das Mikrophon so viel Geräusche eingefangen hat, lag an seiner Stellung. Ein Profigeht immer so nahe wie möglich an die Schallquelle.«
»Können Sie uns etwas über den Aufnahmeort sagen?«
»Dazu müsste ich es mir noch einmal anhören. Ich hatte alles so ausgesteuert, dass die Stimmen gut herauskommen. Nun müsste ich mich auf die Hintergrundgeräusche konzentrieren.« Er schob einige Regler auf dem Pult nach unten, andere nach oben. Sein Zeigefinger befand sich schon über der Start-Taste. »Nur für die Akten, Detective: Das ist das grausigste Tondokument, das ich je gehört habe.«
»Ich würde mir Sorgen machen, wenn Ihr Urteil anders gelautet hätte.«
Gleich darauf drückte Fortier schon wieder auf Pause. »Ich höre etwas, das Sie vielleicht nicht wahrnehmen: Die Aufnahme wurde in einem kleinen, fast unmöblierten Raum gemacht. Dielenfußboden. Ich höre den Hall seiner Absätze auf den Dielen. Ledersohlen, kräftige Absätze, wahrscheinlich Cowboystiefel.«
Sogar Katies Stimme klang jetzt dünn und weit weg. Dagegen drangen die Schritte, die Reißgeräusche und die Schläge mit großer Deutlichkeit ins Halbdunkel des Studios.
»Nicht viel Verkehr draußen. Ein Auto, ein Lkw in den ganzen fünfzehn Minuten. Keine Nähe zu einem Highway. Das Haus ist alt – man hört, wie die Fensterscheibe im Rahmen zittert, wenn ein Lkw vorbeifährt.«
»Ich höre das nicht«, gestand Delorme.
»Ich kann es hören. Blind wie ein Maulwurf, da muss das Gehör vieles ausgleichen. Er macht jetzt Fotos.« Er drückte auf die Pause-Taste. »Was mir gerade einfällt: Nehmen Sie das Geräusch des Objektivverschlusses und des Filmtransports auf. Dann können Sie es mit den Geräuschen anderer Kameratypen vergleichen, bis Sie die Kamera identifiziert haben.«
Delorme sah Cardinal an. »Gute Idee«, sagte sie.
Fortier hing immer noch dem Gedanken nach, den er gerade geäußert hatte. »Ich bin aus verständlichen Gründen kein Kameraexperte. Aber die Technik dieser Kamera ist alt – kein Servomotor, kein automatischer Filmtransport, und das Klicken des Verschlusses ist mechanisch, nicht elektronisch. Alles das datiert die Technologie auf Mitte der Siebziger, wenn nicht früher. Der Verschluss ist recht langsam, woraus ich schließe, dass die Lichtverhältnisse schlecht sind. Das spricht für abends oder nachts.«
»Gut gefolgert, Mr. Fortier. Machen Sie weiter.«
Er ließ das Band wieder laufen. »Mit der Auffassung stehe ich möglicherweise allein, aber mir scheint, dass sich das Zimmer in einer oberen Etage befindet. Das Auto und der Lkw hören sich an, als kämen sie von unterhalb.«
»Können Sie das wirklich hören?«
»Die Geräusche eines Fahrzeugmotors zu deuten ist eines der ersten Dinge, die man als Blinder lernt.«
»Was sagen Sie über die Musik? Wir kennen das ungefähre Datum. Wenn wir herausfinden könnten, welcher Sender die Songsin genau dieser Reihenfolge gespielt hat, würden wir wissen, an welchem Tag und zu welcher Stunde Katie ermordet wurde.«
»Oh, ich möchte Sie nicht enttäuschen, Miss Delorme, aber ich glaube nicht, dass die Musik aus dem Radio kam.«
»Aber es waren doch ganz unterschiedliche Interpreten.«
»Ja, sicher, und ich kann Ihnen auch genau sagen, wer: Pearl Jam, die Rolling Stones und Anne Murray. Bestimmt kennen Sie die Stones-Titel, und ich kann Ihnen auch die anderen nennen, wenn Sie wollen. Doch zwei Dinge sind auffällig: Erstens, die Titelauswahl ist schon sehr merkwürdig. Die ersten beiden Titel mögen ja noch in einer Radiosendung gespielt werden, aber es würde doch sehr befremden, auf die Rolling Stones ein Lied von Anne Murray folgen zu lassen. Ich bezweifle, dass ein Musikredakteur sich zu so etwas versteigen würde. Und zweitens, für eine Sendung waren die Pausen zwischen den Titeln zu lang. Kein Radiosender – nicht einmal im hohen Norden – würde seinen Hörern so viel Leerlauf zumuten.«
»Aber man hört kein Geräusch, dass Platten gewechselt würden. Er geht an die Maschine, drückt eine Taste, und die Musik geht los.«
»Ich vermute – und da bin ich mir ziemlich sicher –, dass es sich um ein Amateur-Tape für den Hausgebrauch handelt.«
»Sie meinen, der Betreffende hat sich die Platten ausgeliehen?«
»Es ist
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