Gefrorene Seelen
geneigtem Kopf. Nur der Fernseher der alten Dame. Ein verdammt einsames Leben, wenn man den ganzen Tag vor dem Fernseher verbringen musste. Sie hatte das vordere Schlafzimmer, wie er ausgespäht hatte. Bei ihr wäre sowieso nichts zu holen, nur ein uralter Schwarzweißfernseher mit einem schauderhaften Bild.
Er ging ins Erdgeschoss und sah sich kurz in der Küche um. Auch hier nur Enttäuschungen. Die wenigen alten Haushaltsgeräte würden nichts einbringen. Das dunkle enge Wohnzimmer war ebenfalls ein Reinfall, vollgestopft mit Polstermöbeln, die aussahen, als wären Generationen von Hunden darauf verendet. Woody hatte kein Auge für die komische alte Uhr auf dem Kaminsims – er handelte nicht mit Antiquitäten. Empört stellte er fest, dass es nicht einmal einen Videorekorder gab; das war heutzutage wirklich nicht normal.
Bis jetzt hatte er noch keinen Stich gemacht, und das Haus bot kaum noch Verstecke. Er hatte die Lage völlig falsch eingeschätzt. Der Fuzzi aus dem Musikladen wohnte gar nicht hier. Wenn der schon in der Musikbranche arbeitete, musste er doch tolles Equipment haben. Erst neulich hatte ihn Woody mit einer Sony-Verpackung unter dem Arm gesehen; der Typ hatte sie aus dem Kofferraum seines alten Windstar geholt.
»Totale Fehlanzeige«, murmelte Woody. »Ein Fernsehtisch ohne Fernsehgerät.« Aus dem Muster im Staub war zu erkennen, dass bis vor ein oder zwei Tagen an dieser Stelle noch ein Fernsehgerät gestanden haben musste. Und der kleine Stapel Videokassetten neben dem Tisch deutete auf das Vorhandensein eines Rekorders. Entweder waren beide Geräte zur Reparatur – was schon ein großer Zufall wäre –, oder man hatte sie an einen anderen Platz gestellt, vielleicht in das Schlafzimmer der alten Dame.
Nun, das Mütterchen konnte er nicht stören, also blieb ihm nur noch das Kellergeschoss. Noch hatte Woody seinen Optimismus nicht verloren – Keller bargen bisweilen ungeahnte Schätze: eine Werkzeugkiste, einen Außenbordmotor, einen Set Golfschläger, so etwas kam vor. Allerdings waren Keller kalt und muffig, und die Schauer, die einem dort über den Rücken liefen, gaben einen Vorgeschmack der nackten Angst. Außerdem hörte man im Keller nicht so gut, was schon vielen seiner Kollegen zum Verhängnis geworden war. Man befand sich dort in einer ungeschützten Position. Es war sozusagen der Analsex des Einbrechers: nicht ohne Reiz, aber sicherlich nicht Woodys erste Wahl. Nicht an einem hellen, sonnigen Tag.
Unten am Treppenabsatz blieb Woody eine Weile zwischen Gummistiefeln, ausrangierten Schlittschuhen und rostigen Schneeschaufeln stehen, damit sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Im Kellergeschoss roch es nach Wäsche und alter Katzenpisse. Von draußen drang kein Licht herein. Mit einem leichten Nervenflattern stellte er fest, dass die Fenster hoch und schmal waren und vermutlich nicht groß genug, um durchzukommen, wenn ein schneller Abgang unumgänglich werden sollte.
Allmählich erkannte er die Umrisse verschiedener Gegenstände: eine alte Waschmaschine und eine Wäschemangel, ein verrußter Ofen, ein Paar zerbrochene Skier, eine zerbeulte Kinderrutsche, ein Damenfahrrad, an dem das Vorderrad fehlte. Einen Augenblick lang überlegte er, ob das Fahrrad vielleicht noch zugebrauchen wäre. Vorigen Herbst war Marthas Zehngangrad gestohlen worden. Sie hatte einen Anfall bekommen, vor allem als Woody den Diebstahl aus der kühlen Sicht des Profis beurteilte. Doch dieses klapprige Rad kam nicht in Betracht; eine Reparatur würde mehr Arbeit machen, als es überhaupt wert war.
Er wandte sich um und erkannte im Halbdunkel den Umriss einer Tür, einer soliden Eichentür, die … Ja, wohin führte sie wohl? Woody ließ seiner Phantasie freien Lauf und kam zu dem Schluss, dass es sich um das Studio handeln müsse. Der frettchengesichtige Musikfreak mit den Kameras und den Kassettenrekordern hatte sich ein Studio im Haus seiner Freundin eingerichtet. Der mit einem Sicherheitsschloss und drei schweren Riegeln verrammelte Raum enthielt sicherlich Kameras, Stative, Aufnahmegeräte, Fernseher und Videorekorder. Woody, Junge, du stehst an der Schwelle zum Paradies.
Sicherlich, wenn dort wirklich Equipment verwahrt wurde, dann befanden sich die Riegel auf der falschen Seite, denn schließlich wollte man Leute wie Woody von den eigenen Schätzen aussperren und sie nicht zum Eintreten auffordern. Obwohl Woody diese Tatsache nicht entging, fühlte er sich dadurch in seinem Elan nicht
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