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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Fetzen von seinem Fleisch. Unter allen Hinrichtungsarten, die der menschliche Geist ersonnen hat, ist das Rädern vermutlich der langsamste und schmerzvollste aller Tode.«
    »Lies, was am Schluss kommt. Unten auf der Seite.«
    »Rädern war weit verbreitet und galt als Volksbelustigung. Holzschnitte, Zeichnungen und Gemälde aus vier Jahrhunderten belegen,dass sich immer wieder Scharen von Schaulustigen fanden, die plaudernd und lachend der maßlosen Pein eines Mitmenschen mit offensichtlichem Vergnügen beiwohnten.«
    »Die Leute mochten das, Edie. Und sie mögen es auch heute noch, nur wollen sie es nicht zugeben.«
    Edie wusste das. Sogar ihre Großmutter sah sich gern einen Boxkampf oder eine Wrestling-Show im Fernsehen an. Immerhin war das besser, als auf diesen gottverlassenen gefrorenen See zu starren. Die Alte würde ganz sicher mit Genuss zuschauen, wie irgendein Verurteilter halbtot geschlagen würde.
    Alles ganz normal für Erics Empfinden. Nur heutzutage leider nicht ganz legal, das war das Problem. Es war aus der Mode gekommen, aber bestimmt nicht für immer. Man brauchte nur nach Amerika zu schauen. Dort gab es die Gaskammer, den elektrischen Stuhl. »Keiner kann mir weismachen, Edie, dass die Leute keinen Gefallen mehr daran finden. Es wäre schon vor Jahrhunderten ausgestorben, wenn die Leute nicht so ein Vergnügen am qualvollen Töten hätten. Einen größeren Nervenkitzel gibt es gar nicht.«
    Jetzt ist es gleich soweit, dachte Edie. Ich sehe förmlich, wie sich die Worte in der Luft bilden, ehe er sie ausspricht. »Ganz meine Meinung«, sagte sie leise.
    »Gut.«
    »Ich meine, dass ich auch finde, was du gleich sagen wirst.«
    »Oh, tust du das wirklich?« Eric lächelte abgründig. »Was wollte ich denn gleich noch sagen. Bitte, Madame Rosa, sagen Sie es, wenn Sie meine Gedanken lesen können.«
    »Das kann ich wirklich, Eric. Ich weiß genau, was du sagen wolltest.«
    »Also dann. Lies meine Gedanken.«
    »Du wolltest sagen: ›Knöpfen wir ihn uns heute Abend vor.‹«
    Eric wandte ihr sein Profil zu und blies Rauch in die sich vertiefende Dunkelheit. »Nicht schlecht«, sagte er leise. »Wirklich nicht schlecht.«
    »Ich weiß nicht, wie es dir geht, Eric, aber ich würde sagen, es ist Zeit für die Party.«
    Eric kurbelte die Scheibe herunter und schnippte seine Zigarette in den Schnee. »Zeit für die Party.«

32
    D as Haus war kleiner, als es von draußen den Anschein hatte. Im oberen Stockwerk gab es nur zwei Schlafzimmer – dabei hätte Woody schwören können, dass es drei waren – und ein kleines Badezimmer.
    Wie er Delorme, dieser neugierigen Schnüfflerin von der Kripo, schon mal erläutert hatte, betrieb Arthur »Woody« Wood das Gewerbe des Einbrechens nicht, um seine sozialen Kontakte zu verbessern. Wie alle professionellen Einbrecher verwendete er große Sorgfalt darauf, bei der Arbeit nicht gestört zu werden. Im sonstigen Leben war Woody hingegen so gesellig wie die meisten anderen Menschen auch.
    Er hatte beobachtet, dass der Typ mit dem Frettchengesicht, der im Musikladen in der Mall arbeitete, alle naslang hier vorbeikam. Einmal war er ihm von dessen Arbeitsplatz bis nach Hause gefolgt. Er hatte gesehen, wie der andere eine vielversprechend aussehende Sony-Anlage in seinem Van verstaut hatte. Und er wusste, dass das Pärchen weggefahren war, weil er das Haus die vergangenen anderthalb Stunden von seinem Lieferwagen aus beobachtet hatte. Das war eine todsichere Art, ein Objekt auszuspähen. Niemand beachtet einen ramponierten alten Chevy-Lieferwagen, auf dem der Name »Comstock« und etwas von elektrischen Installationen und Reparaturen geschrieben steht; niemand verschwendet darauf einen Blick. Dennoch wechselte Woody jedes Vierteljahr die Beschriftung, um auch ganz sicherzugehen.
    Also hatte er die Zeit damit verbracht, die Pretenders auf Kassette zu hören. (Auf einem Blaupunkt-Kassettenrekorder, den er vergangenen Winter bei einer kleinen Bestandsaufnahme oben in Cedarvale hatte mitgehen lassen. Mann, die Deutschen verstanden etwas von Klangwiedergabe!) Während er die Sportseiten des
Algonquin Lode
las und sich über das Formtief der Maple Leafs Sorgen machte, fand er noch Zeit, an die nächsten Anschaffungenzu denken. Woody war nämlich nicht nur ein fleißiger Einbrecher, sondern auch ein treu sorgender Familienvater und Ehemann. Es war an der Zeit, seinem Sohn und Stammhalter, den er liebevoll »Kipper« nannte, eine kleine Aufmerksamkeit mitzubringen.
    Der Junge

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