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Gefuehlschaos inklusive

Gefuehlschaos inklusive

Titel: Gefuehlschaos inklusive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Richling
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Halbbruder, aber er ist auch der Ältere und engagiert sich viel mehr in der Firma als ich. Ich will sie im Grunde überhaupt nicht haben. Letzte Woche erlitt mein Vater einen schweren Herzinfarkt. Meine Mutter erwartet, dass ich komme und meine Freundin mitbringe. In dieser Situation kann ich ihm unmöglich beichten, dass sein einziger leiblicher Sohn homosexuell ist.“ Da ist was dran. „Bitte, Claudia, hilf mir und begleite mich nach München. Es wäre auch nur für eine Nacht. Vielleicht gefällt es dir sogar, meine Eltern haben ein sehr schönes Haus mitten im Grünen. Es wird dir an Nichts fehlen, das verspreche ich dir.“
    Nach München wollte ich schon immer mal. Ich könnte diesen kleinen Ausflug mit einem ausgiebigen Einkaufsbummel in der Innenstadt verbinden. Warum eigentlich nicht? Auch wenn ich Stefan für seine Eigenmächtigkeit am liebsten am Kragen gepackt hätte. Andererseits tut mir der arme Tropf auch ein wenig leid.
    „Also schön. Ich mach’s!“
     

 
Der Zufall ist ein Eichhörnchen
     
    Als ich zu Sandras Wohnung fahre, um ein paar Sachen zu packen, kommen mir Zweifel an der Richtigkeit dieser Aktion. Was würden seine Eltern von mir denken, wenn sie erführen, dass ich nichts weiter als eine Alibifrau bin und sie mit Stefan nach Strich und Faden belüge? Ich versuche, nicht weiter daran zu denken, und male mir einen schönen Tag in München aus. Die Eltern würde ich danach nie wiedersehen. Ich schreibe Sandra eine SMS, um sie über meine Ausflugspläne zu informieren. Ein Anruf wäre zu zeitraubend gewesen und hätte mich in Erklärungsnöte gebracht. Mir bleibt aber keine Zeit, Sandra alles genauestens zu erläutern, denn ich bin mit Stefan in einer Stunde am Flughafen verabredet.
     
    Im Flugzeug gehen wir unser gemeinsames imaginäres Jahr durch: wie wir zueinanderfanden und wo wir uns das erste Mal trafen.
    Als wir im Taxi zu seinem Elternhaus fahren, ist mir ganz mulmig zumute.
    „Stefan, ich weiß nicht, ob das richtig ist, was wir hier tun. Ich bin schrecklich nervös. Wenn mich deine Mutter anspricht, fasele ich bestimmt nur dummes Zeug.“
    Stefan streichelt mir die Wange.
    „Du brauchst dich nicht zu fürchten. Es wird alles gut gehen. Morgen Abend fliegen wir schon wieder zurück und meine Eltern werden dich nie wiedersehen. Zerbrich dir darüber nicht den Kopf.“
    Das Taxi fährt durch ein mächtiges Tor über holpriges Kopfsteinpflaster. Hinter den Weiden offenbart sich ein Blick auf eine prächtige Villa, die so groß ist, dass ich sie nicht mit einem Blick erfassen kann. Zwei Türmchen auf beiden Seiten umrahmen das Gebäude und geben dem Betrachter das Gefühl, hier würde es sich um ein kleines Schloss handeln. In der Mitte des Hofes plätschert ein großer Springbrunnen. Stefan zeigt auf seine Mutter und eine Angestellte, die uns bereits auf den Stufen des Hauses erwarten. Ich rutsche nervös auf dem Sitz hin und her.
    „Bitte lass uns wieder umdrehen. Ich glaub, ich kann das nicht.“
    „Keine Angst, du machst das schon, das weiß ich.“
     
    Wir steigen aus dem Taxi und ein junger Angestellter schnappt sich ungefragt unser Gepäck. Stefans Mutter schreitet beinahe bewegungslos wie eine Bronzeskulptur auf uns zu.
    „Ich hoffe, ihr hattet eine angenehme Anreise“, spricht sie in einem leicht gekünstelten Ton. „Sie müssen wohl Stefans Freundin sein. Wir kennen nicht mal Ihren Namen.“
    Auffordernd sieht sie mich an.
    „Ich heiße Claudia Sander.“
    Freundlich reiche ich ihr meine Hand, die sie geflissentlich übersieht. Sie dreht sich einfach um und geht vor uns die Treppen hinauf ins Haus. Ein herzlicher Empfang sieht anders aus.
    „Mach dir nichts draus“, flüstert Stefan mir ins Ohr. „So ist sie halt. Das hat nichts mit dir zu tun.“
    Das sehe ich aber anders. Schließlich nehme ich ihr den Sohn weg.
    Als wir ins Haus treten, überwältigt mich der Anblick einer monströsen Treppe, die zu den oberen Räumen führt.
    „Ich erwarte euch dann um zwanzig Uhr zum Abendessen“, sagt sie in einem herrischen Ton. „Du wirst Frau Sander erst einmal ihr Zimmer zeigen, danach erwartet dich dein Vater in der Bibliothek.“ Wow, die Dame ist ja ordentlich auf Zack. Es bleibt einem gar nichts übrig, als diesen diktatorischen Worten zu folgen.
    Genervt begleitet mich Stefan nach oben.
    „Warum weist mir deine Mutter ein anderes Zimmer zu als dir? Also nicht, dass ich mich darum reißen würde, mir mit dir eins zu teilen. Aber ungewöhnlich finde ich das

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