Gefuehlschaos inklusive
dich nicht mal von mir erheben?“
„Es tut mir wirklich leid. Ehrlich.“
Ich liege immer noch auf ihm.
„Also schön, dann haben wir das schon mal geklärt, aber findest du nicht auch, dass wir beide hier ’ne komische Figur abgeben?“
„Oh, natürlich, entschuldige.“
Wir erheben uns und mir fällt auf, dass das gesamte Lokal seine Aufmerksamkeit in unsere Richtung verlagert hat. Ich wäre gern auf der Stelle tot umgefallen, aber das muss ich wohl auf ein andermal verschieben. Auf Kommando klappt das mit dem Sterben einfach schlecht. Wir stehen uns gegenüber und ich sehe wie gelähmt zu ihm hinauf. Er trägt sein dunkles Haar so kurz, dass ein Kamm wohl nicht mehr nötig ist und sein Zahnpastalächeln trifft mich mitten ins Herz.
„Du siehst etwas mitgenommen aus“, sagt er zu mir und wischt sich die Kleidung sauber. „Ist alles in Ordnung mit dir?“
„Ja, alles bestens.“
Glaube ich. Könnte aber sein, dass ich mich irre. Nur solch schwere Fragen lassen sich im Augenblick nicht zweifelsfrei beantworten. Vielleicht sollte er mir diese Frage später noch einmal stellen. Jetzt könnte ich erst mal einen Drink gebrauchen. Ich räuspere mich.
„Du hast dir hoffentlich auch nichts getan“, bemerke ich mit belegter Stimme.
„Ich bin zäh, keine Angst.“
„Na fein, dann könntest du mich jetzt doch zu einem Glas Wein einladen.“ Was habe ich da gerade gesagt? Um Gottes willen, wie bin ich denn drauf? Er schmunzelt und fragt mich, ob ich denn öfter im „Conrad“ anzutreffen sei.
„Eigentlich selten, und du?“
„Ich bin heute das erste Mal hier. Mit einer Freundin. Sie wartet dort drüben an dem Tisch hinter dem Pfeiler auf mich.“
Eine Freundin! Hinterm Pfeiler. Verstehe.
„Ach so, dann will ich dich natürlich nicht länger aufhalten. Also, ich bitte vielmals um Entschuldigung. Es war meine Schuld. Tut mir echt leid.“ Ja, ist ja gut, Claudia, nun hast du dich wirklich genug entschuldigt. Der Kerl hat eine Freundin und du keinen Freund. Er müsste sich bei dir entschuldigen. Halt also deine Klappe!
„Vielleicht sehen wir uns hier mal wieder, wäre schön“, sagt er mit einem Cowboylächeln und steuert auf seinen Pfeiler zu. Na schön, ich habe sowieso anderes zu tun, als mir um diesen Typen und seine Freundin Gedanken zu machen. Ich bin schließlich schwer damit beschäftigt, um Ullrich zu trauern. Plötzlich taucht Sandra wie aus dem Nichts auf und nimmt mich beiseite.
„Interessante Masche, um einen Mann anzusprechen. Du hast Fantasie, das muss ich dir lassen.“
Was redet Sandra da? Ich muss mich erst mal wieder sammeln. Amors Pfeil hat mich gerade getroffen. Aber dieser Mann hat eine Freundin. Amor muss einen Fehler gemacht haben.
„Hast du wenigstens seine Nummer oder war diese ganze Vorstellung jetzt umsonst?“
„Was? Nein, er hat eine Freundin. Keine Chance. Außerdem habe ich noch an der Trennung zu knabbern. Ich kann mich nicht schon wieder in ein neues Abenteuer stürzen.“
„Aber sicher kannst du das. Schau mal, du darfst dir dein Abenteuer auch aussuchen.“ Sie zeigt schamlos auf die beiden Herren an der Bar, die ihr ins Netz gegangen sind und uns gut gelaunt zuprosten.
„Du und deine Kuppelversuche. Such lieber selbst nach dem Richtigen.“
Sie packt mich am Ärmel und schleift mich ans andere Ende der Bar. Doch ich wehre sie wieder ab und mache ihr klar, dass ich zuvor meine Handtasche aus dem Wagen holen muss, die ich am liebsten als Ausrede benutzt hätte, mich gänzlich aus dem Staub zu machen.
Der Abend dauert lang, aber immerhin verfliegen meine düsteren Gedanken an Ullrich. Denn ich bin immerzu damit beschäftigt, einen Blick zu erhaschen zum Tisch hinter dem Pfeiler. Seine Freundin ist klein und hager. Sie könnte in die Gattung „Maus“ ohne Weiteres einzuordnen sein. Sie sieht nämlich aus wie eine. Aber eine tiefgraue. Total unscheinbar! Was findet er nur an ihr? Sandra stößt mir mit ihrem Ellenbogen in die Seite.
„Hey, hier spielt die Musik.“
Ja, das weiß ich. Aber die Musik hier ist absolut öde. Hinterm Pfeiler spielen sich viel interessantere Dinge ab. Kann Sandra mich nicht in Ruhe meine Detektivarbeit machen lassen? Jetzt stehen der Typ und die Maus auf. Er hilft ihr in die Jacke.Ich möchte jetzt gern diese graue Maus sein. Verträumt schaue ich in ihre Richtung. Plötzlich dreht er sich noch einmal um und sieht lächelnd in meine Richtung. Fein, und nun komm doch einfach noch mal her und gib mir schnell deine
Weitere Kostenlose Bücher