Gefuehlschaos inklusive
greife ich nach meiner Tasche und will mich verabschieden, doch mit dem Ärmel bleibe ich am Köcher hängen, der randvoll mit Büroklammern ist. Er fällt polternd zu Boden und sein gesamter Inhalt verteilt sich in alle Richtungen. Eine Büroklammer verirrt sich auf Herrn Ruhlands Schuh. Eine zweite platziert sich daneben. Meine Ohren brennen wie Feuer.
„Oh, wie ungeschickt“, sage ich und verstumme sogleich wieder. Dann betrachte ich das Durcheinander. Herr Ruhland lächelt nachsichtig und ich möchte gar nicht wissen, was er gerade von mir denkt. Wahrscheinlich das Gleiche wie ich. Ich bin ein Tollpatsch, wie er im Buche steht. Aber dieses Buch möchte ich lieber nicht lesen. Da könnten alle meine Charakterschwächen aufgelistet sein und davon habe ich leider viel zu viele. Ich stelle meine Tasche zurück auf den Tisch und will mich tatkräftig ans Werk machen. Unglücklicherweise hat Herr Ruhland dieselbe Idee. Wir bücken uns gleichzeitig und stoßen mit unseren Köpfen zusammen. Ich schreie leise auf und sacke in mich zusammen. Das hat gesessen!
„Um Himmels willen, ist Ihnen was geschehen?“, fragt er besorgt und greift sich ebenfalls an die Schläfe. Der Aufprall dürfte für ihn nicht minder schmerzhaft gewesen sein.
„Nein, nein, es geht schon wieder.“ Nur mein Kopfschmerz meldet sich gerade zurück. Ich glaube, eine neue Packung Aspirin-Tabletten könnte jetzt ganz nützlich sein. Er kniet vor mir und untersucht meinen Kopf. Wie seltsam, so nah bin ich Herrn Ruhland noch nie gewesen. Dabei fühlt es sich ganz angenehm an.
„Sie haben Glück, ich kann keine Platzwunde entdecken“, stellt er fest und rührt dabei mit seinem Finger in meinem Haar herum. Warum kribbelt es jetzt in meinem Bauch? Stumm nehme ich seine Berührungen zur Kenntnis und überlege, weshalb ich meinen Chef noch nie wahrgenommen habe. Ich meine als Mann. Gemeinsam sammeln wir die Büroklammern vom Boden auf.
„Jetzt gehen Sie aber schnell, bevor wir noch größeren Schaden nehmen“, bemerkt er schmunzelnd und stellt den gefüllten Köcher wieder auf meinen Tisch.
„Ich hoffe, ich habe Ihnen keine Umstände gemacht. Mir passieren ständig solche dummen Sachen. Das ist mir wirklich unangenehm“, gebe ich zu und reibe mir über meine anwachsende Beule am Schädel.
„Machen Sie sich mal keine Gedanken“, antwortet er nur und geht aus dem Zimmer.
Ich fahre auf direktem Wege zu den Vereinsräumen. Im Auto denke ich ununterbrochen an dieses verrückte Geschehen mit Herrn Ruhland. Bilde ich mir das nur ein oder war da was? Es fühlte sich so an, als wäre zwischen uns Strom geflossen. Ich muss diesen Vorfall unbedingt wieder vergessen. Er wühlt mich jetzt viel zu sehr auf. Das kann ich in meinem desolaten Zustand nicht gebrauchen. Die Fahrt führt mich durch eine belebte Einkaufsstraße. Es ist schon dunkel, aber die Straße wird durch die vielen Straßenlaternen und Neonlichter hell erleuchtet. Gedankenverloren schaue ich auf die Menschenmassen und plötzlich entdecke ich unter all den Gesichtern Ullrichs Visage. Erschrocken drossle ich die Geschwindigkeit. An seiner Seite erspähe ich eine junge dunkelhaarige Frau, mit der er eng umschlungen an den Geschäften vorbeibummelt. Mein Fuß geht vom Gas und wechselt brutal auf die Bremse. Die Reifen opfern Profil und zeichnen zwei dunkle Streifen auf den Straßenbelag. Der Fahrer des Wagens hinter mir kommt gerade noch rechtzeitig zum Stehen. Wütend gestikuliert er mir zu, während er mich überholt. Hinter mir reihen sich die Fahrzeuge zu einer Wagenkolonne auf. Meine Hände krallen sich so fest um das Lenkrad, dass meine Sehnen fast herausspringen. Ohnmächtig vor Schmerz schaue ich in Ullrichs Richtung. Dieser verdammte Mistkerl! Er betrügt mich! Darum wollte er die Trennung. Um sich mit dieser Schlampe in Ruhe vergnügen zu können. Ich dreh der Tussi den Hals um!
Sie biegen um die Ecke und verschwinden aus meinem Gesichtsfeld. Hinter mir höre ich ein lautes Hupkonzert. Ach, haltet doch eure Klappe! Ich muss schnell irgendwohin. Bloß weg von hier! Ich lege den ersten Gang ein und fahre weiter.
Sandra schlägt die Hände über ihrem Kopf zusammen und lacht, als ich ihr von meinem Kummer berichte.
„Das ist überhaupt nicht komisch. Weißt du eigentlich, wie sehr mich das kränkt, Ullrich mit einer anderen Frau zu sehen?“, greife ich Sandra schluchzend an.
Sandra rutscht auf dem Sofa zu mir heran und nimmt mich in den Arm.
„Ich hätte nur niemals
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