Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)
konnte sie sich da ausgerechnet ihn als Gefährten ihrer späten Mutterschaft ins Auge fassen? Er sah sich selber ja keineswegs unkritisch. Klaus von Schlieffen fiel ein, dass er wohlhabend war. Das konnte ein Motiv sein. Ein anderes Motiv fiel ihm eigentlich nicht ein. N. war auch schon mit anderen wohlhabenden Männern zusammen gewesen, aber damals war sie jünger, und jetzt tickte natürlich ihre biologische Uhr, diese Uhr tickte sogar ziemlich laut.
N. strahlte, ihr Lächeln war einfach spektakulär. »Wart erst mal ab, bevor du dich so freust«, sagte sie. »Die Tests haben eine Zuverlässigkeit von über 99 Prozent. Du, du, du. Bärchen, Bärchen, Bärchen.«
Sie verschwand im Bad. Draußen war es beinahe finster inzwischen, der Wind, fast schon ein Sturm, rüttelte an den Fensterläden, die offen standen, die alten Weiden hinten am Moor waren immer noch gut zu sehen, ein Nebelstreif umfloss sie wie ein Schleier. Schlieffen stellte die CD ab, er hörte freiwillig fast nur Klassik. Popmusik ertrug er nur im Bett, wenn Frauen ihre Lieblingssongs auflegten. Über dieses Thema, ein Kind und so weiter, war niemals gesprochen worden. Das ging doch so nicht.
Nein, doch, genau so ging das.
N. kam zurück. In ihrer Hand hielt sie ein hellgrünes Etwas aus Plastik, es sah eher wie ein Löffel aus, weniger wie ein Stäbchen.
Schlieffen zog N. an sich und flüsterte ihr ins Ohr: »Du und ich, du und ich und noch jemand.«
Das war wirklich eine große Scheiße. Das Haus, die Angel, Schmerling, das Kind, all diese Dinge verschmolzen in seinem Kopf. Er würde in Berlin erst mal einen Termin mit seinem Rechtsanwalt machen und sich seine Optionen erklären lassen, erstens, was N. und das Kind betraf, zweitens in Sachen Schmerling. Der Mann hatte schließlich nur einen mündlichen Arbeitsvertrag. Ach, und drittens wollte er den Anwalt fragen, ob er das Haus gegebenenfalls an den Schauspieler zurückgeben könnte. Er hatte keine Lust mehr auf diesen ganzen Stress.
N. trug das Stäbchen oder Löffelchen, das jetzt auf der Pappschachtel lag, hinaus auf die Terrasse. Wegen der Überraschung. Schlieffen fragte sich, ob der Wind oder Sturm die ganze Angelegenheit nicht wegwehen würde, nun, die Terrasse lag einigermaßen geschützt.
Sie saßen nebeneinander auf dem Sofa. N. redete.
Schlieffen hatte Schwierigkeiten, ihr zuzuhören. Ein Kind, vielleicht wäre das gar nicht so schlecht. Ein weiteres Glied in der langen Kette der Schlieffens. Viele der lästigen Begleiterscheinungen, die so ein neues Schlieffengeschöpf mit sich brachte, ließen sich gewiss mit Hilfe von Personal regeln. Wenn er N. nur etwas besser kennen würde. Sie war süß, aber auch anstrengend, eigentlich kreisten ihre Gedanken immer nur um sie selbst.
Schlieffen hörte, wie das Gartentor sich öffnete. Das Tor musste dringend geölt werden. Er wollte aufstehen, nachschauen, aber N. redete und redete. Er strich ihr übers Haar. Ein schlechter Moment, um wegzugehen. Als Klaus von Schlieffen aus dem Fenster schaute, sah er Schmerling, der, eine Heckenschere über der Schulter, vorbeiging und ihm die Andeutung eines Winkens zukommen ließ. Bei diesem Wetter?
N. stand auf und ging hinaus. Als sie mit leeren Händen wiederkam, erkannte er an ihrem Gesicht das Ergebnis. Karl von Schlieffen stand auf, er umarmte N., er flüsterte ihr ins Ohr: »Das nächste Mal dann eben, komm, wir versuchen es gleich wieder.« Diesmal würde er vorsichtiger sein, das schwor er sich.
N. drückte sich an ihn, sagte: »Wirklich, Bärchen, das willst du, das würdest du machen?« Er sagte: »Ich hätte mich so gefreut.«
Ob er sich noch an das erinnere, was sie kurz vor dem Test gesagt habe. Es sei sehr seltsam. Schlieffen erinnerte sich nicht. »Ich habe aus dem Erlkönig zitiert, dem Gedicht von Goethe. Weißt du noch, wie das Gedicht aufhört, kennst du die letzte Zeile? In seinen Armen das Kind war tot.« Ja, das war seltsam.
Draußen, direkt vor der Terrassentür, stand Schmerling, im dichter werdenden Spätsommernebel war er jetzt kaum noch zu erkennen.
17
Das ist lange her, ich habe Kopfschmerzen. Ich bin krank, lassen Sie mich doch in Ruhe. Warum wollen Sie das überhaupt wissen? Sind Sie Journalist, schreiben Sie eine Biographie? Sind Sie von der Polizei? Wissen Sie was, Sie können auch weiter die Klappe halten, egal, wer Sie sind. Ich habe Zeit. Ich erzähle Ihnen was, machen Sie damit, was Sie wollen. In ein paar Monaten ist für mich sowieso alles vorbei.
Ich
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