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Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)

Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)

Titel: Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Martenstein
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sicher auch in der nächsten Woche.«
    »Ich hab auch andere Sachen, die getan werden müssen. Sie sind nicht mein einziger Kunde.«
    Klaus von Schlieffen gab sich einen Ruck. »Es ist einfach so, dass ich es nicht mag, wenn morgens ein fremder Mensch an meinem Schlafzimmerfenster steht. Verzeihen Sie, ich habe mich falsch ausgedrückt. Ich würde es auch nicht mögen, wenn einer meiner Bekannten, ein Kollege oder ein Familienmitglied morgens am Fenster meines Schlafzimmers stünde. Ich mag es einfach generell nicht. Und starren Sie bitte nicht meine Freundin auf diese Weise an. Ersparen Sie mir zu beschreiben, was für eine Weise dies ist.«
    Schmerling trat einen Schritt nach vorn. Instinktiv wich Schlieffen zurück. Schmerling hob seine Hand und stieß Schlieffen an die Brust, nicht fest, aber fest genug, um ihn einen weiteren Schritt zurücktaumeln zu lassen.
    Er hat mich angefasst, dachte Klaus von Schlieffen. Unglaublich, der Kerl fasst mich an.
    »Schon gut«, sagte Schmerling, »schon gut. Kaufen Sie sich Vorhänge.«
    Dann drehte er sich um, ging wieder hinein und schloss, ohne Eile, die Tür. Schlieffen hörte, wie von innen ein Riegel vorgeschoben wurde.
    Das war wirklich unglaublich. Legte der Mann keinen Wert auf seinen Arbeitsplatz? Und wenn Schlieffen ihn entließ, denn eine andere Wahl hatte er ja praktisch nicht, was bedeutete das für seine Stellung im Dorf, wie würden seine Wochenenden aussehen, wenn alle ihn hassen? Hatte der Schauspieler womöglich nicht wegen finanzieller Probleme, sondern wegen genau dieser Probleme das Haus so günstig veräußert?
    Schlieffen betrat, in Gedanken versunken, den Angelshop. Der Laden war so dunkel, dass er eine Weile brauchte, um sich zu orientieren. An der Kasse saß eine junge Frau, die Kaugummi kaute.
    »Ich möchte eine Angel kaufen. Ein einfaches Modell. Etwas für Anfänger.«
    Die Frau zuckte mit den Achseln. Dann deutete sie auf den Laden. »Schauen Sie sich um.«
    »Etwas für Anfänger. Was gibt es denn da?«
    Die Frau sagte: »Wenn Sie nicht angeln können, dann lernen Sie erst mal angeln, und dann kommen Sie wieder.«
    Schlieffen hatte das Gefühl, in einen Albtraum geraten zu sein. Das gab es doch nicht, das war doch Wahnsinn.
    Das Wetter wurde auch immer schlechter. Es regnete nicht, noch nicht, aber der Wind war noch stärker geworden und zerrte an seinem Jackett wie ein ungeduldiger Gläubiger.
    Als er wieder zu Hause ankam – zu Hause! War dies sein Zuhause? Würde es jemals sein Zuhause sein? –, hatte N. die CD eingelegt, die sie für ihn aufgenommen hatte, irgendetwas von Robbie Willliams.
    »Na, wo hat denn das Bärchen seine Angel?«, fragte N., und Schlieffen sagte: »Die verkaufen ihre Angeln nicht an jeden, nicht an mich jedenfalls. Ich bin auch bei dem Gärtner gewesen, da war noch was zu regeln. Stell dir vor, der hat mich angefasst, der ist tätlich geworden, der ist verrückt. Dieser Mensch ist verrückt.«
    N. küsste ihn. Dann sagte sie: »Vater, mein Vater, gleich fasst er mich an. Erlkönig hat mir ein Leids getan.«
    Sie fasste seine Hand und führte ihn in den Living Room. »Es gibt eine Überraschung, Bärchen.«
    Auf dem Beistelltisch lag eine Pappschachtel. »Weißt du, was das ist?« Klaus von Schlieffen hatte keine Ahnung. Er sagte: »Eine Pappschachtel. Jetzt lass mich doch mal erzählen.«
    »Das ist ein Schwangerschaftstest. Da ist ein Plastikstäbchen drin und ein Plastikbecher. Man soll das Stäbchen ein paar Sekunden lang in den mit Urin gefüllten Becher reintun. Dann legt man das Stäbchen auf ein Stück Papier. Siehst du das kleine Fenster? Da, in dem Stab. Da ist ein Fenster drin, und wenn in dem Fenster zwei Striche erscheinen, dann heißt das: positiv. Ich geh jetzt aufs Klo. Und dann warten wir ein paar Minuten.«
    Klaus von Schlieffen ließ sich auf das Sofa fallen, das er ebenfalls von dem Schauspieler übernommen hatte. In sich spürte er eine große Leere und die Sehnsucht nach Ruhe.
    Er sagte: »Wie wunderbar. Ich freu mich so. Du, ich bin so glücklich.« Das konnte als Botschaft erst mal nicht verkehrt sein.
    Gleichzeitig fühlte Klaus von Schlieffen, wie die große Leere aus seinem Inneren wich und stattdessen kaltes Entsetzen sich in ihm ausbreitete. Bei Frauen ab Ende dreißig war er mit der Verhütung nachlässig, das stimmte. Da konnte doch eigentlich nicht mehr viel anbrennen.
    Warum er? N. hatte mit Männern schon viele unangenehme und fragwürdige Erfahrungen gemacht, das wusste er, wie

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