Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)
dann können Sie sich damit abfinden, meiner Ansicht nach geht das, ich kann das. Ich will nur nicht wissen, wann und wo, das ist mir zu viel. Das soll gefälligst in einer Grauzone stattfinden, und möglichst nicht gleich in den ersten Monaten. Ein paar Monate Treue sollten schon sein, oder verlange ich zu viel vom Leben?
Ich bin dann nach Hause gefahren und habe diesen Benno im Internet gesucht, tatsächlich stand seine Adresse in irgendeinem blöden Forum, in dem er seine politischen Allerweltsansichten zum Besten gibt. Ich bin dann mal hingefahren. Nur zum Zeitvertreib. Es war so ungefähr elf, halb zwölf. Feine Gegend. Es brannte Licht. Die Handwerker können es um diese Uhrzeit wohl kaum gewesen sein, die sich im Licht der Designerlampen gegenseitig einen runterholen. Ich habe geklingelt, der Summer ging, ich bin mit dem Aufzug hochgefahren, Dachgeschoss. Wissen Sie, die Bennos dieser Erde wohnen alle im Dachgeschoss und in Berlin Mitte.
Ich hätte auch bei N. klingeln können. Das wäre aber, nach N.s Diagnose, unsexy gewesen. Also dachte ich, nehme ich halt die sexy Variante und plaudere mit der Freundin von diesem Benno, so was wird er ja wohl haben, eine Freundin hat auch der letzte Depp. Ich rede mit Bennos Freundin über den Fortgang der Bauarbeiten und gehe mit ihr die Kataloge für Badkacheln durch.
Als ich aus dem Aufzug kam, stand da ein Typ, im seidenen Morgenmantel, verdammt will ich sein, wenn der nicht nach reichem Söhnchen, Firmenerben und Dummschwätzer aussah.
Wer sind Sie denn? Was wollen Sie? Angst hatte er jedenfalls nicht.
Ich suche N., sagte ich, die N. hat mir ein Buch geliehen, Liebe in den Zeiten der Cholera , das möchte ich ihr zurückbringen, sie wollte es ganz dringend, so ein tolles Buch.
Welche N.?
Ihre alte Freundin, Ihre Kommilitonin, Mensch, Benno, essen Sie mal Ginseng. Jedes Glas Latte macchiato zerstört zehntausend Hirnzellen, wussten Sie das eigentlich schon?
Ach so, ja, also die N., von der habe ich lange nichts gehört, wieso sollte die hier sein?
Darf ich mal ihr Bad benutzen?
Ich glaube, Sie sollten gehen.
Mach ich, Benno. Es ist nur so, dass ich von der N., im Gegensatz zu Ihnen, relativ oft was höre, ich bin sogar quasi ihr Lebensgefährte. Das Letzte, was ich gehört habe, war, dass Sie mit ihr zusammenziehen, weil Dachgeschosse allein nicht glücklich machen, und deswegen bin ich gekommen. Ich werde Ihnen nämlich jetzt Ihre Därme aus dem Leib reißen und sie kunstvoll um Ihr Bidet knoten, das, soweit ich weiß, gerade mit Blattgold verkleidet wird, die Sache mit den Därmen ist ein uralter aztekischer Freundschaftsritus, das machen die, wenn zwei Männer aus verschiedenen Stämmen sich begegnen, danach werde ich Ihnen das Du anbieten und dann, seien Sie unbesorgt, Benno, dann gehe ich. Vorher lege ich Ihnen sogar noch ihre Lieblings-CD ein.
Er hatte keine Ahnung. Er wusste nicht mal, wo N. wohnt. Der Kontakt sei vor drei, vier Jahren abgerissen und sei auch davor nicht sehr eng gewesen. Bei einem Schulfest habe er, vor über zwanzig Jahren, mal mit N. ein bisschen herumgeknutscht, daraus sei nichts geworden, weil N., wie sie ihm charmanterweise gesagt habe, nur mit Männern von mindestens ein Meter siebzig etwas Ernstes anfange, er sei aber einsfünfundsechzig. Ich bin einszweiundsiebzig, der Himmel sei mein Zeuge.
Ich bin daraufhin wirklich extrem neugierig geworden, auf den Herrn, der N. tatsächlich Gesellschaft leistete. Benno hieß er jedenfalls nicht. Es war schon spät, halb eins, aber vor zwei schläft N. nie. Schon gar nicht, wenn die Leidenschaft sie gepackt hat.
Das Würdelose und Klischeehafte des Settings, in dem ich mich bewegte, war mir durchaus bewusst. Wissen Sie, in der Liebe darf man nicht unbedingt Originalität erwarten. Es ist letztlich immer das Gleiche, auch wenn es Ihren Narzissmus möglicherweise kränkt, dass Sie nichts wesentlich anderes empfinden als Ihr Urgroßvater. Den Fortschritt überlassen Sie mal besser den Autobauern und den Computerfuzzies.
Die Möglichkeiten, Sex zu machen, sind doch auch beschränkt. Ich weiß, wovon ich rede, ich habe mit N. versucht, das Kamasutra nachzuturnen, neunzig Prozent von diesen Positionen sind akademische Scheiße. Falls Sie jemanden treffen, der behauptet, er habe im Sex etwas Neues erfunden, wissen Sie sofort, dass es sich um einen Spinner handelt.
Ich klingle bei N., sie an der Sprechanlage: Wer da?
Ich sage: Baby, lass uns den dummen Streit wegen Benno vergessen, ich
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