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Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)

Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)

Titel: Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Martenstein
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vertraue dir, ich war so was von blöd. Und vor allem tue ich dem Benno unrecht, der ist bestimmt ein ganz Lieber, deine Freunde sind meine Freunde. Ich habe eine Flasche Champagner dabei, die trinken wir jetzt zu dritt, der Benno, du und ich, und versöhnen uns. Im Ernst. Ganz, ganz schön.
    Sie: Kannst hochkommen.
    In ihrer Wohnung ist niemand, das merke ich gleich, kein Typ. Nur das übliche Chaos, Schlüpfer hängen über der Lampe, Socken liegen im Bidet, alles teures Zeug, schade, wenn das so vergammelt. Auch eine teure Bluse muss man ordentlich aufhängen. Aber das hat mir nichts ausgemacht, das war N., so war sie eben, und fertig.
    Wo ist denn der Benno? Weißt du, auf den Benno hab ich mich richtig gefreut, dass ich den endlich mal kennenlerne, ich hab schon gedacht, du versteckst den vor mir, den lieben Kerl. Ich laufe durch die Wohnung und rufe: Benno! Benno! Komm raus, macht nichts, wenn deine Unterhose ein Loch hat, du kriegst jetzt erst mal schön was zu trinken, dann rauchen wir einen Joint, und für deine neue Badewanne habe ich dir extra ein Entchen mitgebracht, das blinkt, wenn es mit Wasser in Berührung kommt. Sei nicht so scheu, Benno, Rehlein!
    Benno ist nicht da, sagt sie. Der ist gar nicht gekommen. Das mit dem Bad hat sich verschoben.
    Sie erzählt das ganz normal, völlig natürlich, als ob sie selber dran glaubt.
    Ich sage, okay, ich sage laut, oder vielleicht schreie ich sogar, dass ich Bescheid weiß. Dein Benno ist eine Erfindung, ich war grad bei dem in der Wohnung. Den gibt es gar nicht, oder nicht in dieser Form. Was für ein Scheißspiel spielen wir hier, Verstecken vielleicht, oder Fang den Hut?
    Sie weint. Sie weint, stellen Sie sich vor. Dann schreit sie, raus, raus du, lass mich allein. Als ich nicht gleich gehe, hält sie sich mit den Händen beide Ohren zu und stößt einen lang gezogenen, schrillen Schrei aus, wie ein Tier, falls es überhaupt Tiere gibt, die solche Schreie im Repertoire haben.
    Sie sah dabei richtig gut aus. Zerstrubbelte Haare, tränenfeuchte Augen, völlig aufgelöst, aber gut.
    Einerseits wollte ich sie in die Arme nehmen, andererseits war ich wütend. Ich habe meine Wut niedergekämpft, und habe sie umarmt, oder es versucht, aber sie hat versucht, mich zu schlagen. Ich habe ihr die Hände festgehalten, aber meine Wut auf sie war sofort wieder da. Das war’s dann wohl, habe ich geschrien, mich siehst du nie wieder.
    Ich will gehen, sie hält mich fest. Ich will sie küssen, sie haut mir mit voller Kraft ins Gesicht, meine Haut platzt. Dieser Ringkampf verwandelt sich innerhalb von Sekunden in den schönsten Geschlechtsverkehr. Wir haben gefickt, anders kann man’s nicht ausdrücken. Ich habe aus der Nase geblutet, sogar aus den Augen habe ich geblutet. Das Bett, der Teppich, die Tapete, alles voller Blut. Wir haben die Bettdecke zerrissen und uns in den Federn gewälzt. Die Nachbarn haben gegen die Wände geklopft, von oben, von unten, scheißegal.
    Surfen Sie? Stellen Sie sich vor, dass Sie mitten in einem Tropengewitter nachts durch die Brandung surfen, und ständig, zack, zack, schlagen von allen Seiten Blitze in Sie ein, aber Sie spüren diese Blitze kaum, Sie sind unverwundbar. Das habe ich nie wieder erlebt, und jetzt ist es sowieso zu spät.
    Am übernächsten Tag kam eine SMS. Das war damals, Ende der Neunziger, noch was ganz Exklusives. Wir würden nicht zusammenpassen, Schluss, aus. Eine SMS, verstehen Sie, kein Gespräch, kein Anruf, nicht mal eine E-Mail. Sie ging nicht ans Telefon, sie hat nicht mehr aufgemacht. Das war nicht das erste Mal, dass ich sie oder sie mich zum Teufel gejagt hat. Sie war schnell sauer, und ich bin stolz. Wenn man mich anlügt oder beleidigt, mach ich den Laden dicht, zumindest für eine Weile. Das ging hin und her. Aber diesmal hat sie es ernst gemeint.
    Daran krepiere ich. Deswegen bin ich krank geworden. Lachen Sie ruhig. Höre ich mich selbstmitleidig an? Einverstanden. Haben Sie ruhig Mitleid mit den aussterbenden Gelbbauchunken oder den ungeborenen Kindern oder mit den unschuldigen Stasiopfern, je nachdem, wie Sie weltanschaulich drauf sind. Ich habe eben Mitleid mit mir selber. Auch ich gehöre zu einer interessanten Spezies, die man vermissen wird.
    Ich hätte gerne verstanden, was genau damals passiert ist. Ich habe sogar versucht, mich selber kritisch zu sehen. Arbeitshypothese: Vielleicht bin ich ein Arschloch. Aber ich bin nicht dahintergestiegen. In Google steht auch nichts Neueres über sie. Falls Sie

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