Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)
war mit N. genau zwei Jahre zusammen und vier Tage. Kennengelernt haben wir uns über Robert Wegner, den kennen Sie sicher. Der Fotograf. Ein alter Freund von mir. N. und ich wollten heiraten, Kinder, das volle Programm, obwohl sie altersmäßig wirklich schon hart an der Grenze war. Kurz bevor wir uns kennengelernt haben, hat sie ein Kind verloren, dritter Monat. Der Vater war so ein Adliger, der in Mecklenburg in einem ergaunerten Schloss gesessen und die Menschheit tyrannisiert hat. In einem Wort, ein Oberarschloch. Der Schwangerschaftstest war negativ, und wissen Sie auch, warum? Sie hat den Teststab vor die Tür gelegt, um das Ergebnis abzuwarten, warum tut man so was, keine Ahnung. Dort draußen hat der Gärtner mal eben kurz über den Stab gepinkelt, um das Ergebnis zu verfälschen und um dem Arschloch eins auszuwischen. Das hat er ihm erzählt, als der ihn rausgeschmissen hat.
Kann stimmen, kann auch gelogen sein. Sie jedenfalls fährt mit dem Grafen zum Helikopterskiing nach Kanada, hat keine Ahnung, dabei verliert sie das Kind und im Anschluss daran jedes Interesse an diesem Typ.
Es passieren eben die verrücktesten Sachen. Das ist alles gar nicht so einfach.
Fragen Sie irgendjemanden, Mann oder Frau, Alter zwanzig oder dreißig: Was ist dein Plan, wie soll dein Leben aussehen? Neun von zehn Leuten werden Ihnen das Gleiche erzählen. Das Haus am See, zwei alte Leutchen händchenhaltend auf einer Bank, die Enkel, der ruhige Schlaf. Es klappt nie. Die Leute könnten ihre Vorstellungen ändern. Tun sie aber nicht. Vielleicht wird eines Tages eine Pille erfunden, oder sie operieren die Gehirne. Dann geht es.
N. hatte diesen Freund, Benno, den sie schon aus der Schule kannte. Sie haben auch zusammen studiert, er war immer scharf auf sie, hat immer mal was probiert, sagte N., aber es lief angeblich nie was. Er war nicht ihr Typ. Was für ein Hundeleben, sagte ich zu N., da zieht man sich doch als Verschmähter zurück, oder man lässt sich als Umworbene meinetwegen kurz drauf ein, und hinterher ist Ruhe im Objekt.
Ich wüsste eben nicht, sagte N., dass es auch echte Freundschaft zwischen Männern und Frauen geben kann, ob ich nicht Harry und Sally gesehen hätte.
Doch, kann es, sagte ich, gibt es, obwohl Harry und Sally doch eher die gegenteilige These vertritt. Aber zwischen einem Typ, der scharf auf eine Frau ist, und dieser betreffenden Frau ist meine Prognose für eine tiefe, selbstlose Freundschaft skeptisch bis negativ.
Das mit Benno sei ihre Sache.
Nein, nicht ganz, habe ich gesagt.
Am Samstag wollten wir zusammen kochen, am Freitagabend ruft sie an und sagt, es klappt nicht, morgen zieht Benno für eine Weile bei mir ein. In Bennos Wohnung sind die Handwerker, er lässt sich ein neues Bad einbauen, alles voller Staub in Bennos Wohnung.
Benno hat doch Geld, sage ich. Benno hat doch die Firma von seinem Vater geerbt, das hatte sie mir nämlich erzählt. Benno kann sich ein Hotelzimmer nehmen, und Benno hat doch so viele andere Freunde, der ist doch so kontaktfreudig, ein Freund der ganzen Welt, anders als ich. Wieso jetzt das, frage ich, wieso du.
Sie: Wenn ein Freund mich braucht, bin ich für ihn da. Ich habe das gern, ich helfe gern Freunden. Meine Freunde schicke ich nicht ins Hotel.
Aber ich bin doch auch dein Freund, und ich leide darunter, da gibt es einen klassischen Zielkonflikt, weißt du, da haben wir zwei Freundschaften, die leider nicht gleichzeitig bedient werden können.
Mach dir keine Sorgen.
Ich mache mir keine Sorgen, sage ich, nein, ich leide. Ich finde das, offen gesagt, negativ. Wenn du mit Benno unbedingt was machen willst, dann mach es meinetwegen, und erzähle mir in dreißig Jahren davon, wenn wir vor dem Haus am See unter unserem Apfelbaum sitzen, und gib mir vorher bitte eine Valium, falls mein Kreislauf das noch zulässt. Aber wenn der scharfe Benno jeden Abend in deiner Wohnung herumturnt, dann beeinträchtigt das meine Lebensqualität, dann liegt Staub auf meiner Lebensqualität. Ich glaube, ich muss mir in meinem Gehirn ein neues Bad einbauen lassen, darf ich so lange bei dir wohnen?
Sie sagt: Ach, du, Eifersucht ist so was von unsexy.
Am Abend bin ich zu N. gefahren und habe, natürlich erst nach Einbruch der Dämmerung, vor ihrer Wohnung hinter einem Lieferwagen Posten bezogen. Ich habe ihr Fenster beobachtet, aber da waren nur Schatten zu sehen.
Schatten hier, Schatten dort. Schatten, die sich bewegten.
Wenn die Frau, die du liebst, mit anderen was macht,
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