Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)
gesagt. An den tatsächlichen Wortlaut kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich war aggressiv und sarkastisch. Sie hat wortlos aufgelegt.
Verstehen Sie, bei N. weiß man einfach nicht, wie man es richtig machen soll. Warum hatte sie denn diese Planwirtschaft vorgeschlagen? Sie hat das doch so gewollt. Und dann habe ich mich darauf eingestellt. Ich kann mich auch auf Spontaneität einstellen, kein Problem. Aber nicht auf beides gleichzeitig. Man ist eine Flipperkugel und soll sich auch noch gut dabei fühlen.
Wollen Sie nicht doch ein bisschen Käse? Gut, dass ich mich mal aussprechen kann.
Sie hat super verdient zu der Zeit, sie hat diese Moderationen gemacht, und schwer feministisch war sie auch, aber raten Sie mal, wer im Restaurant immer die Rechnung zahlen musste.
Jetzt wäre es für mich natürlich angebracht gewesen, zurückzurufen und mich zu entschuldigen. Solche Gesten gefallen ihr. Aber das konnte ich nicht. Verletzter Stolz. Andererseits, sie will starke, selbstbewusste Typen. Dann darf sie diese Typen nicht demütigen. Die Typen sollen selbstbewusst und stark sein und gleichzeitig sensibel und verständnisvoll. Viel Glück bei der Suche.
Ich hoffte, dass sie anruft. Ich wusste, je länger das Schweigen dauerte, desto schwieriger würde es für mich werden, meinerseits anzurufen. Dann wäre ich eine Burg, die nach langer Belagerung die Waffen streckt. Ich hoffte, dass sie anruft, wirklich.
Am Freitag morgen also passiert’s, sie ruft an.
»Bei dem Essen mit Raffael am Samstag bleibt es.«
»Gut. In Ordnung. Dann sehen wir uns heute Abend?«
Ich wollte eigentlich vorschlagen, dass ich chinesisch koche. Aber das hätte wie ein bescheuertes Duell mit diesem Raffael gewirkt, der sehr wahrscheinlich sowieso besser chinesisch kocht als ich. Als langjähriger Single muss er das Kochen ja draufhaben. Bei mir hat früher immer meine Frau gekocht, ich habe eingekauft. Wäre schlauer gewesen, ich hätte gekocht. Sagen Sie mal einer attraktiven Frau: »Du, Süße, ich kann super einkaufen!«
Jedenfalls erzählt N., dass sie an diesem Abend auch nicht kann, und zwar, weil sie an ihrem Treatment arbeiten muss.
»Tom hat angerufen, das Treatment soll bis zum Montag fertig sein, keine Ahnung, warum der auf einmal so viel Druck macht. Ist jedenfalls ein gutes Zeichen. Ich muss heute lang arbeiten. Wenn du magst, komme ich hinterher noch vorbei. Gegen Mitternacht.«
»So spät erst?«
Das war natürlich idiotisch. Das klang nach dem Jammern einer einsamen, frustrierten Hausfrau. Das klang nicht sexy.
»Mal sehen«, sagt N., »vielleicht habe ich ja Lust, bei dir zu arbeiten. Dann komme ich schon um sechs.«
»Wie du magst. Ich bin zu Hause.«
Für N. war ich jemand, der sowieso immer da ist und wartet und zu dem man geht, wenn gerade nichts Aufregenderes zur Verfügung steht. Legen wir heute eben mal beim lieben alten Benno an.
N. lebt ganz in der Gegenwart, wissen Sie. Sie ist desinteressiert an der Vergangenheit und an der Zukunft. Hier und heute muss möglichst viel Gewinn reinkommen, das allein ist wichtig.
Es gibt jede Menge Firmen, die genau diese Strategie verfolgen, und was kommt dabei raus? Die stürzen alle irgendwann ab. Du musst dir Stammkunden aufbauen, du brauchst eine kompetente und motivierte Belegschaft, du darfst nicht alles in diese Scheißcallcenter auslagern, zumindest nicht als Mittelständler.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Sie hat zwei- oder dreimal vorgeschlagen, dass wir einen Tanzkurs anfangen, obwohl es doch unmöglich war, so oft wollte sie mich gar nicht sehen. Am nächsten Tag hatte sie das sowieso vergessen. Ich durfte sie aber auf gar keinen Fall an solche Vorschläge erinnern, das hätte Streit bedeutet. Auf so eine Verbindlichkeit wie einen Tanzkurs hätte sie sich niemals ernsthaft festlegen können.
Bei den anderen Männern war es wahrscheinlich genauso. Bei den anderen vergaß sie wahrscheinlich, dass es mich gab und dass wir verabredet waren. Das hatte nichts mit Feindseligkeit oder damit zu tun, dass sie mich demütigen wollte. Sie war sprunghaft wie ein Kind, und ich musste mich darauf einstellen. Meine Bedürfnisse waren scheißegal.
»Ja, super«, sage ich. »Ich freue mich, egal, wann du kommst. Ich bin ab sechs zu Hause. Vielleicht liest du mir dein Treatment vor. Aber nur, wenn du magst.«
Von dem Treatment wusste ich bis dahin gar nichts. Keine Ahnung, worum es da ging.
Nachmittags um drei ruft N. wieder an.
»Ich hab ganz vergessen, dass ich heute eine
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