Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)
überhaupt keine Betten gemacht, sagt Groll. Nur Sessel und so was. Sicher ist er sich nicht.
Wenn sie stehen bleiben, werden sie von anderen Kunden weitergeschoben. Groll spürt einen Einkaufswagen, der sich in seine Wade drückt. Am Samstag zu Ikea, das machen echt nur die Idioten. Als ob man nicht freie Tage unter der Woche hätte, ab und an.
Dann taucht das Restaurant auf, und sie essen Köttbullar. N. zahlt. Das verrechnen wir hinterher, sagt Groll. Wie breit soll das Bett überhaupt sein? Ein Meter vierzig, meint N., dann können auch mal zwei Leute drin schlafen.
Wieso denn zwei, sagt Groll, ich will keine zwei Leute in meinem Bett. Zwei ist einer zu viel. Variatio delecat , antwortet N., ein bisschen Humor hat sie wohl schon.
Groll erzählt, dass er dem neuen Vertrag zugestimmt hat, mit dieser BGTS, mündlich, nur mündlich. Nichts Schriftliches. Das ist jetzt drei Wochen her, cum grano salis . Man kommt ja nicht dazu, mal was zu erzählen. Bist ja immer beschäftigt.
Hab ja einen Job, sagt N., hab ja auch meine Probleme. Interessierst du dich ja auch nicht groß für.
Verwendet Groll wirklich so oft das Füllwort »ja«? Darauf muss er achten. Warum ist N. so gereizt?
Jedenfalls, der Zweijahresvertrag ist inzwischen abgelaufen, sagt Groll, und ich mache immer noch meine Arbeit, obwohl es keinen neuen Vertrag gibt, keinen unterschriebenen zumindest.
Am Freitag ruft sie mich zu sich, die Chefin, meine ich. Wie geht’s? Alles in Ordnung bei Ihnen? Freut mich sehr, ach so, eine Sache, auf dem neuen Vertrag fehlt noch ihre Unterschrift, Herr Groll. Das müssen wir schnell erledigen.
Ich war mental vorbereitet, sagt Groll. Ich lehne mich zurück, alles dreht sich in meinem Kopf. Trotz mentaler Vorbereitung.
Ich erkläre, dass wir jetzt de facto und de jure eine völlig neue Situation haben, weil mein Vertrag nunmehr automatisch entfristet ist, so steht es nämlich im Gesetz. Warum sollte ich also unterschreiben?
Sie: Um des Betriebsfriedens willen.
Ich: Um des lieben Friedens willen soll ich auf mein Recht verzichten? Das kann ich mir nicht leisten, so eine Chamberlainpolitik.
Sie wird eine Spur lauter. Ich würde aus ihrem Fehler Profit schlagen. Das schafft einen Präzedenzfall, das bringt sie in eine unmögliche Situation.
Sie sagt, dass ich undankbar sei. Die befristeten Verträge sind die einzige Möglichkeit, Arbeitsplätze zu erhalten. Verstehen Sie das denn nicht.
Sie macht eine Pause.
Dann, noch lauter: Wissen Sie was? Wir erhöhen Ihren Stundenlohn um einen Euro. Acht fünfzig ab sofort. Wir heben die Prämien an. Sie sind doch ein Guter. Sie sind doch vernünftig. Ich ändere jetzt die Zahlen, handschriftlich, und fertig. Die letzten Sätze schreit sie mit aller Kraft.
Stell dir vor, dass dir jemand »Sie sind doch ein Guter!« ins Gesicht schreit.
Groll nimmt den neuen Vertrag. Er liest ihn durch. Ganz langsam. Er will ruhig bleiben, will nicht die Nerven verlieren. Er ist bereit zu unterschreiben.
Die Chefin bekommt Flecken im Gesicht, wie ein Leopard. Ein Leopardenweibchen. Dann reißt sie Groll den Vertrag wieder aus der Hand. Er wolle sich auf ihre Kosten doch nur bereichern. Dabei spricht sie jedes einzelne Wort eine Spur lauter aus als das vorherige, das letzte Wort, »bereichern«, brüllt sie mit aller Kraft.
Dabei war die Prämienerhöhung doch ihr Vorschlag, sagt Groll. Ich war mucksmäuschenstill. Ich wollte doch bloß nicht die Nerven verlieren.
Die Chefin greift zum Telefon, ruft irgendwo an. Ist die Entfristung von Groll noch möglich, geht das? Ja? Dann machen wir es. Wir entfristen Groll. Bitte den Vertrag entsprechend ändern und an Groll schicken.
Sie legt auf. Sie sagt, so, jetzt haben Sie, was Sie wollten. Auf Wiedersehen.
N. hat, während Groll über den Outbound erzählt, ihr Köttbullar restlos aufgegessen. Da haben wir wohl etwas zu feiern, sagt N. und legt ihr Besteck zusammen.
Ich weiß nicht, antwortet Groll. Die hasst mich jetzt.
In der Markthalle lädt N. einen Wok auf den Wagen, und einen Webteppich, und dann auch noch einen Fleischklopfer.
Das stand aber nicht auf der Liste, sagt Groll. Lass uns lieber nach den CD-Ständern kucken, oder den CD-Regalen, überhaupt, wer braucht einen Fleischklopfer. Nur weil er billig ist. Du kaufst immer den letzten Scheiß, wenn er nur billig ist, bei Tchibo ist es genauso.
Das tut ihm, nachdem er es gesagt hatte, sofort leid.
Ich bin wohl wie deine Chefin, sagt N. Wow, das war jetzt aber weit unter der
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