Gefühltes Herz - sieben homoerotische Geschichten
meinen Augen. Tränen rannen meine Wange hinunter und ich konnte sie nicht unter Kontrolle bringen.
Lars sah mich sprachlos an, während ich den Flüssigkeitsverlust dank Bier auffüllen konnte. Irgendwann fand mein bester Freund seine Sprache wieder. „Verdammte Scheiße, wer war das?“
„Ich weiß es nicht. Hab ihn vorher noch nie gesehen. Das Einzige, was ich noch weiß, es war ein Bär von einem Kerl.“
„Mensch, Leo, wieso hast du nichts gesagt? Vielleicht hätte ich dir helfen …“
„Nein, hättest du nicht. Das ist eine Sache, die ich mit mir selbst ausmachen muss. Da kann mir momentan keiner helfen. Ich weiß, dass ich nicht schuld bin und akzeptiere, was passiert ist. Nehme es wahr, auch wenn es mich in ein Loch zieht!“
Lars schluckte hart, nahm einen großen Schluck Bier. „Das ist Wahnsinn, das kann einfach nicht passiert sein. Es ist so, so … ich weiß auch nicht. Entschuldige, ich verstehe es einfach nicht. Das so etwas wirklich passieren kann, hier, bei uns …“
Ich verstand ihn nur allzu gut. Wie oft las man es in der Zeitung, aber es war weit weg, betraf einen nicht. Doch nun sah es anders aus. „Schon okay.
Ich kann es nicht ändern, muss es irgendwie hinbekommen, wieder ich selbst zu werden, aber das dauert und ich hoffe, du hast die Nerven, darauf zu warten!“
„Auf dich werde ich immer warten. Du bist mein bester Freund!“ Seine Hand landete auf meiner Schulter und ich ließ das Mantra wieder meine innere Ruhe beschwören.
„Scheiße, tschuldige, ehrlich, daran muss ich mich erst gewöhnen. Sonst ist alles klar bei dir? Ich meine, hast du was davongetragen? Körperlich.“
„Nein, zum Glück nicht.“ Er atmete erleichtert aus. So war es mir auch gegangen, nachdem der erste HIV-Test negativ war, einer stand in drei Wochen noch aus, um ganz sicher zu sein, aber man hatte mir eine 90%ige Sicherheit gegeben, dass ich nicht infiziert war. Ich klammerte mich daran und betete jeden Abend. Auch wenn ich sonst nicht gläubig war und Gott homosexuelle Menschen angeblich nicht tolerierte, wie die Kirche meinte, hatte ich trotzdem Hoffnung.
Mein bester Freund blieb nicht mehr lange, ich sah ihm seine Gedanken an, die durch seinen Kopf fegten. Auch für ihn war es ein Schock und damit musste er erst einmal umgehen lernen. Ein Gefühl der Erleichterung machte sich in mir breit. Der erste Schritt war schwer gewesen und doch tat er unheimlich gut. Ich musste mich nicht mehr vor Lars rechtfertigen, Ausreden suchen, wieso ich wie reagierte oder plötzlich nicht mehr mit ausgehen wollte. Das vereinfachte mir mein Verhalten und machte Platz für andere Gedanken.
Von oben erklang ein Poltern, dann ein Fluch und ein Wehlaut. Eilig sprang ich auf und stürmte die Treppen hinauf. Die Tür war noch offen und somit der Zugang nicht versperrt. Eilig suchte ich die Zimmer ab und fand Bastian dann im Badezimmer, mitsamt dem Spiegelschrank lehnte er an der Wand. Die Ecke des Schrankes hatte sich in sein, mittlerweile, blass lila Auge gebohrt und ich ahnte, dass es abermals einen Farbwechsel mitmachen musste. Schnell nahm ich Bastian den Hängeschrank ab und hing diesen direkt auf.
„Danke, ich bin gerutscht und hab den Halt verloren.“ Mit einem schmerzverzerrten Gesicht hielt er sein Auge. Zusammen gingen wir in meine Wohnung, wo ich ihm einen Eisbeutel reichte und ihn auf dem Sofa platzierte, während ich abermals zwei Bier öffnete.
Eine Kühlung half sicherlich von innen, ebenso wie von außen. So saßen wir da, im Einklang des Schweigens, und tranken unser Bier. Es war schon merkwürdig wie gut das Schweigen tat, wenn man zusammen saß. Selten hatte ich es so genossen wie mit Bastian. Vor einer Woche hatte ich den Mann neben mir als meinen zukünftigen Lebenspartner gesehen, davon war ich mittlerweile abgekommen. Meine Therapeutin riet mir, erst mich selbst zu finden, statt mich in eine Beziehung zu stürzen, nur weil ich der Ansicht war, dass sie mir helfen könnte.
Sie hatte sicherlich recht und doch konnte ich nicht verhindern, dass meine Blicke immer wieder zu diesem Mann gingen. Bastian war ein Mann, der mein Herz dazu brachte, wegen einem einfachen Lächeln, doppelt so schnell zu schlagen. Seine braunen Augen hinterließen das Gefühl, dass er bis auf den Grund meiner Seele sehen konnte. Als wüsste er bereits alles und wartete darauf, dass ich es ihm sagte. Sicherlich wäre es gar nicht mal so schwer gewesen, es ihm zu sagen, und doch hinderte mich eine innere Blockade
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