Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
Vom Netzwerk:
erfahren, einem kerkerartigen und fensterlosen Raum in einem der geheimen Kellergeschosse, in dem Gefangene gefoltert und Wissenswertes aus ihnen herausgepresst wurde. Und in diesen »Beichtstuhl« wurde Bess nach ihrer Verschleppung aus der Fleet Street von Quilt Arnold gebracht.
    Sie hatten das Haus durch den Krämerladen betreten und waren durch eine tapezierte Schiebetür in den hinteren Teil des Hauses gelangt. Bess hatte sich zunächst gewundert, dass Arnold ihr nicht die Augen verband, doch nachdem er sie mehrmals durch sich plötzlich auftuende Öffnungen, über steile und verwinkelte Treppen und schließlich in irgendeinen Tunnel geschoben hatte, war ihr derart die Orientierung abhanden gekommen, dass sie niemals wieder den Weg hinausgefunden hätte. Geschweige denn den gleichen Weg noch einmal hätte gehen können. Sie hatte sogar das Gefühl, dass Arnold sie absichtlich im Kreis geführt hatte; mehrmals kamen sie an derselben Stelle vorbei, allerdings stets aus unterschiedlicher Richtung. Und all ihr vermeintliches Wissen über Wild’s House war plötzlich weniger als einen Farthing wert.
    Quilt Arnold hatte die ganze Zeit keinen Mucks von sich gegeben. Erst als sie vor einer niedrigen, mit Eisen beschlagenen Holztür standen, rief er: »Rein mit dir!« und stieß Bess unsanft in den Raum. Da er mit der brennenden Kerze draußen geblieben war, landete sie in völliger Dunkelheit, und im nächsten Augenblick hörte sie, wie die Tür ins Schloss fiel und ein Riegel vorgeschoben wurde. Bess tastete den niedrigen und rechteckigen Raum ab, fand einen Tisch und einen Stuhl und wusste, dass sie sich im »Beichtstuhl« befand, noch bevor sie die Ketten und Hand- oder Fußschellen an den Wänden ertastete. Eine weitere Schelle war etwa in Brusthöhe angebracht und schien größer als die anderen zu sein, groß genug, um einen Hals oder Kopf darin festzuklemmen. Statt sich auf die Suche nach weiteren Folterwerkzeugen zu machen, hockte Bess sich auf den Stuhl, legte die Unterarme auf den Tisch, bettete ihren Kopf darauf und wartete. Auf den Generaldiebesfänger.
    Bess konnte nicht sagen, wie spät es war und wie lange sie geschlafen hatte, doch als sie mit einem Schrecken aus unruhigen Träumen auffuhr, stand eine brennende Kerze auf dem Tisch, und auf der anderen Seite saß Jonathan Wild und rauchte eine Pfeife. Er hatte die Beine übereinandergeschlagen und lächelte sie freundlich an, als wäre er nur zum gemütlichen Plaudern gekommen.
    »Trink etwas!«, sagte er mit piepsender Stimme und deutete auf einen irdenen Krug und einen hölzernen Becher, die auf dem Tisch standen. Da Bess nicht reagierte, lachte er und setzte hinzu: »Keine Bange, diesmal ist es kein Gin. Nur harmloses Gerstenwasser. Du wirst Durst haben, meine Liebe.«
    Bess nahm einen gierigen Schluck, ließ aber nicht erkennen, wie gut ihr das erfrischende Getränk schmeckte, und fragte: »Was wollt Ihr von mir, Mr. Wild?«
    »Warum so förmlich, Bess? Du kannst mich ruhig beim Vornamen nennen, schließlich sind wir uns nicht unbekannt, oder?« Er stand auf und stellte sich neben sie. Wieder fiel ihr auf, wie klein er war, kaum größer als Jack. Doch anders als dieser versuchte er den vermeintlichen männlichen Makel durch allerlei Firlefanz zu kaschieren. Er trug ein silbernes Schwert an der Seite, eine opulente weiße Perücke auf dem Kopf und darüber einen federgeschmückten Dreispitz. Kragen und Ärmel seines Hemdes waren mit Seide und Spitze besetzt, und auf der Brust seines Gehrockes prangten allerlei Orden oder Auszeichnungen, wie bei einem General oder Feldherrn.
    »Was wollt Ihr von mir, Mr. Wild?«, wiederholte Bess ihre Frage und stand ebenfalls auf, wodurch sie ihr Gegenüber um einige Zoll überragte.
    »Setz dich!«, befahl Mr. Wild und machte ein Gesicht, das seinem Namen alle Ehre machte und Bess einen Schauer über den Rücken jagte. Seine Augen funkelten wie die eines Bussards. Er wartete, bis Bess seinem Befehl Folge geleistet hatte, und fragte dann: »Wo ist Jack?«
    »Woher soll ich das wissen?«, antwortete sie und führte den Becher zum Mund.
    »Keine Spielchen!«, schrie er plötzlich schrill und schlug ihr den Becher aus der Hand. »Ich will von dir wissen, wo Jack Sheppard ist, und du wirst so lange hierbleiben, bis du es mir verraten hast.«
    Bess starrte in Mr. Wilds vernarbtes Gesicht mit den tief liegenden Raubvogelaugen und sagte: »Dann werde ich bis zu meinem Lebensende hierbleiben müssen, denn ob Ihr es mir

Weitere Kostenlose Bücher