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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
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war, dass wir auf dem Sofa saßen. Ich wollte nicht ergründen, wie ich
mich fühlte und ob es vernünftig war, wie wir uns in diesem Moment aufeinander
zutreiben ließen, denn das alles war unwichtig. Wichtig war die Vertrautheit,
die wir durch die Nähe unserer Körper aufgebaut hatten. Wichtig war der Duft
von Ninas Haaren, wichtig waren ihre Finger, die sich langsam über meinen
Unterarm tasteten.

    Â»Das ist schön«, flüsterte ich, halb in der Hoffnung,
halb in der Befürchtung, damit den Zauber des Augenblicks zu zerstören.

    Und tatsächlich löste sich Nina von mir und setzte sich
langsam auf. Aber anstatt sich von mir abzuwenden, legte sie ihre Hände auf
meine Schultern und setzte sich rittlings auf meinen Schoß. Meine Hände waren
plötzlich auf Ninas Hüften, obwohl ich mich nicht daran erinnern konnte, sie
dort hingelegt zu haben. Dann verschmolzen unsere Lippen.

    Während unsere Zungen sich miteinander verwoben und
unsere Hände die unbekannten Gebiete unserer Körper erforschten, spürte ich, dass
wir auf dem sicheren Weg zu etwas noch Intimerem waren. Sie drängte sich an
mich, ich drängte mich an sie. Ihre Hände fanden die Knöpfe meines Hemdes.
Meine Hände fanden ihren Gürtel. Erregung durchströmte mich, schwoll zu einer
Flut an, die mich mit sich fortreißen wollte.

    Mir fiel ein, dass ich mit keiner Frau mehr geschlafen hatte,
seit Sandra mich verlassen hatte. Der Gedanke kam ungewollt und er brachte noch
mehr ungebetene Besucher mit sich. Bilder von Verrat und Demütigung sprangen
aus meinem Gedächtnis hervor, Gefühle von Wut und Scham vertrieben die
Erregung. Mit meinen Gedanken fest in der Vergangenheit gefangen, spürte ich
Ninas Hände nicht mehr. Auch nicht ihre Zunge. Ich spürte nur, dass ich
bedrängt wurde, meine Freiheit, mein neues Leben bedroht wurde. Entsetzen
packte mich, ohne dass ich es wieder abschütteln konnte.

    Ninas Hände lagen irgendwo auf meiner Brust, deshalb
konnte sie sich nicht festhalten, als ich plötzlich aufsprang. Sie landete
unsanft auf ihrem Po, schrie überrascht auf und schaute mich mit großen Augen
an.

    Es war sehr schwierig, sich mit über die Schultern gestreiftem
Hemd und zerzausten Haaren, mit geöffneter Hose und außer Atem würdevoll zu
fühlen oder vernünftige Worte hervorzubringen. Ganz davon abgesehen, hätte ich
dazu auch erst einmal verstehen müssen, warum ich reagiert hatte, wie ich
reagiert hatte.

    Nina stand auf, offensichtlich unter Schmerzen. Aber in
ihren Augen entdeckte ich keine Wut, sondern nur Mitgefühl. Sie kam auf mich
zu, bis uns wieder nur Zentimeter voneinander trennten. »Ist es immer noch so
schlimm?«

    Ich zitterte. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter
und nickte. Sie nickte auch und wir umarmten uns.

    Ich weiß nicht mehr, wie lange wir so dastanden, aber es
kam mir sehr lange vor. Wenn die Nähe zu Nina irgendeinen archaischen
Schutzmechanismus bei mir aktiviert hatte, so war er bei dieser Frau vollkommen
überflüssig. Ich hatte keine Idee, wie lange diese Erkenntnis wohl brauchen würde,
bis sie aus meinen Gedanken bei meinen Gefühlen angekommen war und diesen
Reflex ausschaltete. Aber ich war mir sicher, geduldig genug zu sein, um es
herauszufinden.

Sonntag

    Das Klingeln schlich sich erst leise in meine Träume, wurde
lauter und durchdringender, bis es den Schleier zerriss und mich taumelnd in den
neuen Tag zog. Benommen tastete ich nach dem Hörer. Als ich ihn fand, warf ich
einen flüchtigen Blick auf die Uhr. Es war Viertel nach sieben.

    Â»Guten Morgen, Wegener«, dröhnte die Stimme des Münsteraner
Kollegen Seybold in mein Ohr.

    Â»Ich wusste, dass Sie es sind«, nuschelte ich unbeholfen.

    Â»Was sagen Sie? Ach egal. Mann, raten Sie mal, was passiert
ist. Das erraten Sie nie!« Aber er ließ mir keine Zeit, meine Gedanken zu
sortieren. Aufgekratzt sagte er: »Es ist Blut am Messer. Das Blut von Martin
Pracht. Es ist eindeutig die Tatwaffe. Damit haben wir das Arschloch.«

    Seybold hatte nicht nur die Angewohnheit, mitten in der
Nacht anzurufen, er schaffte es auch jedes Mal, mich in Sekunden hellwach zu
machen. Im Handumdrehen saß ich aufrecht in meinem Bett.

    Â»Wie lange brauchen Sie ins Präsidium?«, fragte Seybold.

    Ich rieb mir die Augen. Das war natürlich eine sensationelle
Nachricht, aber die letzten Tage und

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